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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nachdenklich. »Manchmal verdeckt man so aber auch seine Lügen.«
    Richard fühlte, dass er ihr stundenlang hätte zuhören können. »Ich habe es so sehr genossen, als wir uns das letzte Mal im Coffee-Shop unterhalten haben«, sagte er. »Deiner … deiner Geschichte und der Geschichte eines Teils von Afrika zuzuhören, den ich nicht kenne, das war faszinierend. Ich wollte dir so viele Fragen stellen. Über dein Leben. Wie es war, in Nigeria aufzuwachsen. Über deine Kindheit.«
    Sie lachte. »Ich könnte mir vorstellen, dass einiges davon gar nicht so anders war als in deiner Kindheit. Unsere Kulturen sind zwar verschieden, aber Kinder sind sich doch in gewisser Weise immer ähnlich.«
    Richard lehnte sich vor und stützte das Kinn auf den Fäusten ab. »Bitte erzähl weiter.«
    »Nun … Meine Eltern waren immer sehr um uns besorgt. Sie stellten ständig Regeln auf, die wir aber wie Schilf zerbrachen. ›Nach Einbruch der Dunkelheit dürft ihr nicht mehr raus.‹ ›Du musst vor einundzwanzig Uhr zu Hause sein.‹ ›Ich will nicht, dass du mit diesem Jungen redest.‹ Wir haben einfach unter unseren Decken gewartet, bis sie eingeschlafen waren. Dann sind
wir leise aufgestanden, haben uns angezogen, sind über den Bananenbaum nach unten auf die Gartenmauer geklettert und von dort aus ins Gras auf der anderen Seite gesprungen.«
    Richard sah sie vor sich, gertenschlank und rebellisch auf der Mauer sitzend, sich ihre nackten Fußsohlen an den rauen Steinen stoßend. Er wünschte sich, damals ihr Freund gewesen zu sein, sie als Mädchen gekannt und sie schon damals umworben zu haben, um sie dann für immer zu seiner Frau zu machen.
    »Inzwischen weiß ich, dass unser Vater von unseren nächtlichen Eskapaden wusste. Damals kam es uns jedoch verboten und gefährlich vor. Aber in Wahrheit blieb er die ganze Zeit über wach. Er ließ uns genügend Freiraum, unsere eigenen Erfahrungen zu machen, ohne uns ganz aus den Augen zu lassen. Meiner Mutter hat er nie davon erzählt; sie hätte sicher geschimpft und sich aufgeführt. Doch er war klug und umsichtig und hat unsere Entscheidungen respektiert.«
    Richard verspürte das brennende Verlangen, sich vorzubeugen und sie auf den Mund zu küssen. Es kam ihm so vor, als bohrte ihm jemand mit einem Stock in den Rücken und triebe ihn dazu an. »Und wo ist dein Vater jetzt?«, erkundigte er sich neugierig.
    »Er starb, als ich noch ein Teenager war.«
    Ihre schlichte Antwort stand in starkem Gegensatz zu alldem, was sich dahinter vermutlich verbarg. Richard wollte ihr erklären, dass das nicht sein könne, und sie auf die Geschichte mit dem hingerichteten Schriftsteller hinweisen, die sie ihm erzählt hatte. Aber er bemerkte, wie schwer es ihr fiel, vom Tod ihres Vaters zu sprechen, und ließ es darauf beruhen.
    In diesem Moment kehrte Sunday mit drei gekühlten Bierflaschen an ihren Tisch zurück. Die Flaschen schlugen leise klirrend aneinander. Er stellte eine vor Richard auf den Tisch und winkte theatralisch ab, als dieser seine Geldbörse zücken wollte.
Richard lachte über die Possen des Mannes und nahm einen Schluck Bier, das ihm prickelnd in die Nase stieg.
    »In Nigeria gibt es besseres Bier«, erklärte Sunday und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Eines Tages lade ich dich zu einem kalten Gulder auf dem Markt von Lagos ein, dann sitzen wir gemeinsam in der stinkigen Hitze und schauen den hübschen Yoruba- Babis hinterher, die mit Körben voller Garnelen, eleganten Kleidern und glatten braunen Beinen vom Delta hochkommen. Und dann sehen wir mal, ob du jemals ein Bier getrunken hast, das so stark war, oder ob du jemals ein so saftiges Fleisch probiert hast, Mr Richard. Sebi? «
    Ehe Richard antworten konnte, lehnte sich Sunday verschwörerisch zu Abayomi hinüber. »Beinahe hätte ich vergessen, dich zu warnen, Babi . Dein Freund Igbo der Herrliche ist hier. Mista Großmaul. Was ganz Besonderes. Jedenfalls sucht er nach dir, Babi , meine Hübsche.«
    »Igbo der Herrliche?«, wiederholte Richard fragend.
    »Das ist Abayomis spezieller Freund«, erklärte Sunday, während sie verächtlich die Augenbrauen hochzog. »Er erklärt einem immer sofort, dass er an der Universität von Ife studiert hat. Nko? Für ihn ist das unglaublich wichtig. Er ist so… so voller tiefsinniger Gedanken. Chai, ajebota no? Kein Wunder, schließlich hat er an der Uni studiert. In Ife. Verstehst du?«
    Richard nickte, ohne recht folgen zu können. Ihm gefiel die Vorstellung nicht,

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