Würfelwelt (German Edition)
wahllos hervorgestoßenen Grunzlaute nicht erweichen.
Vielleicht gibt es ja doch noch eine friedliche Lösung. Ich beginne, die Wand neben dem Durchgang mit einer Spitzhacke zu bearbeiten.
Der Wächter stößt einen Grunzlaut aus, der eindeutig wie eine Warnung klingt.
Ich ignoriere ihn und entferne ein paar Blöcke Nether-Ziegelstein neben dem Zombie-Wächter. Er grunzt bedrohlich, greift jedoch nicht an. Hinter der Wand liegt ein großer Raum mit vier Ausgängen, in dessen Mitte eine Treppe nach unten führt. Er ist mit Fackeln beleuchtet. An den Wänden hängen Bilder mit seltsamen Symbolen.
Als ich den Raum betrete, stößt der Untote ein schauriges Quieken aus. Es klingt, als würde ein Schwein geschlachtet.
Im nächsten Moment spüre ich einen elektrischen Schlag. Das Schwein hat mich angegriffen!
Ich will mich umdrehen, um den Angriff abzuwehren, doch schon stürmen weitere Zombie-Pigmen die Treppe hinauf, andere eilen aus den übrigen Gängen herbei. Im Nu bin ich von ihnen umringt. Schwertschläge treffen mich in rascher Folge. Ich habe gerade noch Zeit, „Tut mir leid, ich wollte nur ...“ zu rufen, bevor mir schwarz vor Augen wird.
Das war’s dann wohl.
18.
Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Welt.
Die Welt, das ist ein großer Raum mit Wänden aus rötlich-schwarzem Nether-Ziegelstein, der von Lavaglut aus vier Becken in den Ecken erhellt wird. Bilder mit fremdartigen Symbolen schmücken die Wände. Auf einem davon erkenne ich eine Art stilisierte Flamme mit zwei Augen und einem Mund. In der Mitte erhebt sich ein Podest aus Obsidianblöcken. Auf diesem Podest liege ich.
Um mich herum steht eine Gruppe von Gestalten, die lange dunkelrote Gewänder mit Kapuzen tragen. Ihre Gesichter sind nur undeutlich zu erkennen. Sie stoßen rhythmische, disharmonische Grunzlaute aus, so als versuche eine Herde Schweine, einen Mönchschoral zu singen.
Was immer hier vorgeht, mit den Regeln des Computerspiels hat das nichts mehr zu tun. Anscheinend bin ich nicht gestorben – sonst wäre ich entweder richtig tot oder müsste in Gronkhs Bett aufgewacht sein. Vielleicht war ich nur ein paar Minuten bewusstlos, während die Zombie-Pigmen mich in ihren Tempel geschleppt haben.
Ich versuche, aufzustehen, doch Fesseln an meinen Armen und Beinen hindern mich daran.
Die Zombie-Pigmen-Mönche treten zur Seite und machen respektvoll einer Gestalt Platz, die jetzt den Raum betritt.
Es ist ein Enderman. Er trägt einen weißen Kittel.
Er beugt sich über mich. Seine kalten Augen starren mich an. „Es tut mir leid, Marko!“, flüstert er. „Du hättest dich nicht einmischen sollen!“
Nein, will ich rufen. Nein, bitte, gib mir noch eine letzte Chance! Doch kein Laut dringt aus meiner Kehle.
Der Enderman hält etwas Langes, Spitzes. Einen Dolch? Nein, schlimmer: eine Spritze!
„Keine Angst, es tut nicht weh“, haucht er. „Du wirst einfach einschlafen, und ...“
Ich höre sich nähernde Schritte. Der Enderman hält inne, dreht seinen Kopf, als lausche er. Rasch verbirgt er die Spritze in seinem weißen Kittel.
Eine weibliche Stimme erklingt, wie von weit her und doch ganz nah: „Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Die Besuchszeit ist längst vorbei!“
Der Raum wabert, dann löst er sich auf wie eine Fata Morgana. Die Zombie-Pigmen verschwinden. Der Enderman verwandelt sich in Amelies Stiefvater. Statt eines Arztkittels trägt er Jeans, ein hellblaues Hemd und eine graue Stoffjacke. Seine linke Hand steckt in der Jackentasche.
„Ich wollte nur noch mal nach dem Jungen sehen“, erklärt er. „Ich bin Arzt.“
„Sie sind derjenige, der den Rettungswagen verständigt hat?“ Ich kann die Krankenschwester nur aus dem Augenwinkel sehen. Sie hat graue Haare, die zu einem Knoten zusammengebunden sind. Ihre Stimme ist resolut.
„Ja.“
„Die medizinische Betreuung liegt jetzt bei Dr. Berkholm. Wenn Sie ein Fachgespräch unter Kollegen möchten, sollten Sie einen Termin mit ihm vereinbaren. Und nun gehen Sie bitte, ich muss den Patienten waschen.“
„Ja, natürlich, verzeihen Sie bitte“, sagt Amelies Stiefvater in unterwürfigem Tonfall. Das muss ihn einige Überwindung kosten.
Ich sinke rückwärts in einen tiefen, schwarzen Tunnel und befinde mich wieder in der Netherfestung. Die Zombie-Pigmen grunzen aufgeregt. Der Enderman ist verschwunden.
Die Krankenschwester hat mir wohl gerade das Leben gerettet. Aber Amelies Stiefvater wird wiederkommen, das weiß ich. Die Gefahr ist noch
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