Würstelmassaker
Palinski’schen Know-hows hinein, die inzwischen fast schon legendäre Datenbank »Crimes – facts and ideas .«
Das gab dem Herrn Institutsvorstand Gelegenheit, sich in Ruhe den zahlreichen am Anrufbeantworter eingegangenen Telefonaten zu widmen.
Palinski fühlte sich sehr gut, der Tag war aus kriminalistischer, aber auch aus menschlicher Sicht mehr als befriedigend gewesen. Bisher, wie er spätestens nach dem letzten Anruf, jenem seiner geliebten Wilma, konstatieren musste.
Danach erfüllte ihn eine Mischung aus schlechtem Gewissen und Ärger über seine eigene Dummheit. Sein Verhalten war ja wirklich rücksichtslos gewesen, für einen Anruf hätte zwischendurch Zeit sein müssen. Trotz allem, was heute passiert war. Und seine Blödheit, das Schokoladepapier einzustecken, statt es diskret zu entsorgen, erschütterte ihn direkt.
In weitaus gedämpfterer Stimmung als noch einige Minuten zuvor rief er Helmut Wallner an und verabredete sich mit ihm für 8 Uhr beim Heurigen »Zimmermann .« Nicht bei dem in Neustift, sondern jenem in der Armbrustergasse.
Der Anruf bei Freund Schneckenburger blieb erfolglos, der Herr Ministerialrat befand sich seit dem Vormittag im Bundeskriminalamt, wann und ob er heute überhaupt noch ins Ministerium kommen würde, konnte seine Vorzimmerdame nicht sagen. Auch »Mikis« Frau Monika konnte ihm nicht helfen, sie wusste nur, dass es heute spät werden würde. Margit Waismeier war ebenfalls nicht zu Hause zu erreichen, sie würde er aber ohnehin morgen im Büro sehen.
Die anderen, weniger dringend wirkenden Rückrufe verschob er. Er hatte jetzt keine Lust auf unverbindlichen Smalltalk oder die Besprechung möglicher Projekte, die dann meistens ohnehin nicht zustande kamen. Das konnte bis morgen warten.
So blieb ihm nur noch die unvermeidliche Konfrontation mit Wilma. Aber auch die erwartete Kopfwäsche und der damit verbundene Kniefall blieben ihm vorerst erspart. Wie ihm sein Sohn Harry lapidar mitteilte, war Wilma mit einigen Kollegen ausgegangen. Er wusste nicht, wohin und wann sie zurück sein wollte.
»Aber eines weiß ich, Papa .« tönte er mitleidig in den Hörer, »die Mami ist stinksauer auf dich. Warm anziehen morgen .«
Inzwischen war es knapp nach 19 Uhr geworden und er hatte noch etwas Zeit, sich um Florian zu kümmern.
»Wenn du möchtest, fordere ich dich für morgen und den Rest der Woche wieder an«, Palinski meinte das wirklich ehrlich, der junge Mann war ihm heute eine echte Hilfe gewesen.
»Das wollen Sie, … willst du wirklich machen«, Florian strahlte wie zuletzt als Dreijähriger unter dem Christbaum. »Also ich würde mich riesig freuen .«
Dann holte er tief Luft. »Mario, ich hab da was im Internet gefunden. Vielleicht hat das was mit dem Mord an der alten Frau zu tun .« Florian klang etwas unsicher. Aber er hatte den Schneid, sich zu äußern, auch wenn er möglicherweise falsch lag. Das war mutig und zeigte Risikobereitschaft. Eine Eigenschaft, die vielen Menschen fortgeschritteneren Alters und in entscheidenderen Positionen sehr gut anstünde.
Egal, um was es sich handelte. Palinski wollte in jedem Fall wohlwollend auf diese Initiative reagieren. Er wollte Florian ermutigen und auf keinen Fall bremsen.
Palinskis Rücksichtnahme war aber gar nicht notwendig. Schon nach wenigen Sekunden erkannte er, dass Florian auf etwas gestoßen war, was sie der Wahrheit im Falle »Stauffar« möglicherweise einen riesigen Schritt näher brachte.
»Herzlichen Glückwunsch«, Palinskis Stimme hatte ungewollt einen feierlichen Tonfall angenommen. »Das war hervorragende Arbeit. Ich glaube, du hast damit den Nagel exakt auf den Kopf getroffen .«
*
Der »Zimmermann« in der Armbrustergasse war eher das, was man in Wien unter einem Nobelheurigen verstand. Ein Lokal also, das vor allem von den Schönen und Reichen der Stadt besucht wurde. Palinski war weder schön noch reich und dennoch nicht ganz selten Gast in den heimeligen, ungemein geschmackvoll eingerichteten und gediegenen Gastzimmern des aus mehreren alten Gebäuden bestehenden Heurigen.
Ehe er sich für Wilma entschieden hatte, hatte Palinski zumindest ein scheues Auge auf Elli, die Tochter des Hauses geworfen gehabt. In der Praxis hatte das für den damaligen Studenten viele Abende in der alten Buschenschank in der Grinzinger Straße bedeutet, die oft erst mit dem Sonnenaufgang des nächsten Tages geendet hatten. Er war eine herrlich verrückte, unbeschwerte, einfach eine wunderschöne
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