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Würstelmassaker

Würstelmassaker

Titel: Würstelmassaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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Akteur ebenso viel Geschick wünschen sollte oder nicht.
    Der Oberstleutnant begann mit einer Relativierung des Begriffes »Zufall« und redete solange herum, bis die Festnahme fast ausschließlich das Resultat seiner und der Arbeit seiner Kollegen war. Und, dass das bisschen Zufall, also der kaum nennenswerte Anteil, den er beim besten Willen nicht wegreden konnte, der eigentliche Zufall war.
    Mit tollen Wortschöpfungen der Kategorie »Superlative« strich er immer wieder seine Bedeutung bei dem erfreulichen Abschluss dieser schrecklichen Mordserie heraus und beglückwünschte den Staat indirekt, so außergewöhnliche Diener zu haben wie ihn.
    Der Eklat begann sich abzuzeichnen, als ein Reporter des besagten Kleinformates die unerhörte Frage einwarf, ob es zutreffe, dass es sich bei dem angeblichen Oberschenkel, der im Wagen des Festgenommenen gefunden worden war, tatsächlich um eine Schweinsstelze * handelte. Wie er von einem Informanten aus der Gerichtsmedizin erfahren haben wollte.
    Für solche Ungehörigkeiten war in seinen Pressekonferenzen kein Platz, fand Kranzjenich und verbat sich den Unsinn. Triumphierend hob er das zugefaxte Gutachten in die Höhe und begann vorzulesen:
    »Bei dem untersuchten rechten Bein, das am 21. August«, das war vor vier Tagen gewesen, fuhr es Palinski blitzartig durch den Kopf. »in einem Altpapiercontainer in der …«
    Blitzschnell sprang Schneckenburger auf, nahm seinen gesamten Mut in Vertretung des Ministers zusammen und erklärte die Pressekonferenz für vorübergehend unterbrochen. Dann bat er die Damen und Herren von den Medien in den Nebenraum, wo eine von den Wiener Fleischhauern gesponserte Schlachtplatte auf die Sensationshungrigen wartete. Die Fleischer der Bundeshauptstadt hatten damit ein erstaunliches, ja fast visionäres Feeling für die Situation bewiesen, in die diese Veranstaltung geraten war. So was von Gespür, das konnte man nicht lernen. Man hatte es oder man hatte es nicht. Es war wirklich beeindruckend.
    Das war der Augenblick, in dem Minister Dr. Fuscheé den Saal betrat und verkündete, dass der echte »Schlächter« eben mit Oberinspektor Wallner gesprochen und sich jeglichen Missbrauch seines wohlerworbenen Titels verbeten hatte.
    Kranzjenich, der ob des ungeheuerlichen Geschehens zunächst erstarrt war, verlor nun sämtliche Nerven und begann zu toben. Dem sonst so angepassten, übervorsichtigen Karrieristen kamen plötzlich Worte wie »Sauerei«, »Sabotage«, »Verschwörung« und »Scheißpresse« stakkatoartig über die Lippen. Als er dann noch hämisch bemerkte, dass »der Fisch am Kopf zu stinken beginnt« und den Minister dabei unverschämt anstarrte, wurde es Fuscheé zu viel. Wichtiger Mann in der Personalvertretung hin oder her, er suspendierte den Oberstleutnant einfach wegen vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit und wies ihn an, sich unverzüglich in psychologische Betreuung zu begeben. »Und das ist keine Empfehlung, sondern ein Befehl«, brüllte er Kranzjenich an.
    Die Medienvertreter waren über diese Entwicklung nicht traurig, im Gegenteil. Die Berichterstattung über das Monster, das Leichenteile über den ganzen 19. Bezirk verteilte, war gesichert. Und die Geschichte über diese sonderbare, ja außergewöhnliche Pressekonferenz gab schließlich auch einiges her. Also war das sonst so gefürchtete Sommerloch dieses Jahr weiterhin noch nicht zu sehen, weitere Schlagzeilen waren erst einmal gesichert.
    Aber auch Palinski war zufrieden. Kranzjenich, ein erbitterter Gegner, hatte sich selbst aus dem Spiel genommen.

     
    *

     
    Kurz nach 11.30 Uhr hatte Marisa Freiberger einen Parkplatz in der Nähe ihres neuen Domizils am Döblinger Gürtel gefunden. Sie hatte sich einen Kleintransporter aus dem väterlichen Betrieb organisiert und mit ihren Sachen voll beladen. Einige Möbel- und Dekorstücke, Bilder und andere Dinge, an denen sie besonders hing. Und die aus einer Mietwohnung so etwas wie ein Zuhause machten.
    Arthur Melham, der sie schon erwartete, hatte sich heute extrafein gemacht. Das kräftig gestreifte »button down«-Hemd und die lustig gepunktete Krawatte, die auch in der Nacht leuchtete, gaben ihm das gewisse Etwas. Meinte er und grinste die junge Frau verführerisch an. Oder was er dafür hielt.
    »Hallo Marisa«, begrüßte er sie, »wie schön, dich zu sehen.«
    »Ciao Arthur«, reagierte sie knapp. Sie wollte sich in keine längeren Gespräche mit dem schleimigen Kerl einlassen. »Hast du jemanden an der Hand, der

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