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Würstelmassaker

Würstelmassaker

Titel: Würstelmassaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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dieser von Hektik, Übermüdung und zeitlichem Druck geprägten Atmosphäre konnten Fehler passieren. Das war allen hier Beschäftigten bewusst. Und die Tatsache, dass man es »bloß« mit Leichen zu tun hatte und daher niemandem mehr schaden konnte, war den Verantwortlichen nur ein geringer Trost. Also bemühte man sich nach bestem Wissen und Gewissen und hoffte, dass der Albtraum bald vorüber sein würde.
    Eben hatte ein dringender Anruf des BKA, mit dem der Befund der als »vordringlich« eingestuften Untersuchung des gestern Abend eingelieferten »Oberschenkels« urgiert wurde, für allgemeine Heiterkeit gesorgt.
    Der bereits emeritierte. Prof. Buchinger, den man vor drei Tagen aus dem wohlverdienten Ruhestand zurückgeholt hatte, rief selbst im Büro an und wies eine dort den ersten Tag tätige Aushilfskraft an, das Gutachten direkt an das Büro des Innenministers zu faxen. Und das pronto, bitte. »Na, da wird die Presse aber Augen machen« war sein launischer Kommentar, der die Umstehenden neuerlich zum Lachen brachte.
    Die 56-jährige Frieda Wellisch, die man sich in aller Eile aus der Personalverwaltung geborgt hatte, war überfordert. Diese ständigen Anrufe von Menschen, die sie nicht kannte, die Sachen wollten, von denen sie keine Ahnung hatte und die dann auch gleich ungeduldig, ja unfreundlich wurden, standen ihr inzwischen bis hier. Ach, Sie können das ja nicht sehen. Also bis zum Hals.
    Fahrig blätterte sie die Mappe mit den Gutachten durch, konnte aber keinen Bericht über einen Oberschenkel finden. Dann kam schon wieder ein Anruf, mit dem sie nichts anfangen konnte, außer ihn zu notieren. Genervt ging sie nochmals den vor ihr liegenden Papierstapel durch. Endlich, da stand etwas von einem Oberschenkel, auch das Datum stimmte.
    Erleichtert nahm sie das Blatt, schob es in das Faxgerät und schickte die darauf befindliche Expertise auf ihre Reise zum Büro des Innenministers.
    Dort wurde das schon dringend erwartete Papier sofort in den kleinen Festsaal gebracht, wo die zahlreichen Vertreter der in- und ausländischen Medien darauf warteten, dass die Pressekonferenz endlich begann.

     
    *

     
    Ministerialrat Schneckenburger, der bereits bedauerte, Palinskis Rat, sich im Stau zu verstecken, nicht befolgt zu haben, saß neben Oberstleutnant Kranzjenich hinter dem Tisch am Podium. Die Art, wie sich dieser selbsternannte »Shootingstar« des Bundeskriminalamtes aufführte, wie er seine Mitarbeiter herumscheuchte und sich Verdienste anrechnete, die ihm einfach nicht zustanden, machten Schneckenburger zunehmend zu schaffen. Dazu kam, dass der BKA-Mann, der die Sonderkommission »Schlächter von Döbling« leitete, fürchterlich über die Indiskretion verärgert war, die zu der Headline in dem großen Kleinformat geführt hatte. Damit war seinem heutigen Auftritt die Sensation, das Überraschungsmoment genommen worden.
    Der Minister hatte seinen Verdauungstrakt inzwischen wieder so weit unter Kontrolle gebracht, dass er riskieren zu können glaubte, sich länger als 5 Minuten und weiter als 10 Meter von einem »sicheren Hafen« entfernen zu können. Er fahre jetzt von zu Hause weg und würde direkt zur Pressekonferenz kommen, hatte er Schneckenburger wissen lassen. Aber er sollte doch schon einmal mit der Veranstaltung beginnen.
    Als Palinski endlich den Raum betrat, fühlte sich der Ministerialrat plötzlich etwas besser. Er stand auf und das Gemurmel im Saal verstummte.
    »Ich darf Sie namens des Herrn Innenminister, der etwas später zu uns stoßen wird, herzlich begrüßen .« Bisher hatte sein Freund noch nichts Verfängliches von sich gegeben, fand Palinski. Hoffentlich blieb das auch so.
    »Wie Sie den Meldungen einer großen Tageszeitung und den Nachrichten im Rundfunk sicher schon entnommen haben, könnte der Polizei letzte Nacht ein entscheidender Fang gelungen sein«, Schneckenburger machte jetzt einen etwas sichereren Eindruck. Hoffentlich wurde er bloß nicht übermütig .« Auch wenn wir das zum großen Teil Kommissar Zufall verdanken .«
    Freundliches Gelächter folgte dieser sympathischen Offenheit, die dem daneben sitzenden Kranzjenich aber offenbar überhaupt nicht ins Konzept passte.
    »Ich darf das Wort jetzt an Herrn Oberstleutnant Kranzjenich übergeben, den Leiter der Sonderkommission .«
    »Miki« hatte seine Sache gut gemacht, er hatte sich keine Blöße gegeben und den Konjunktiv an den strategisch richtigen Stellen verwendet. Palinski wusste nicht, ob er dem nun folgenden

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