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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Lichtfelder schwebten. Dann und wann warf eine der Frauen den Kopf zurück, ließ die Zunge am oberen Gaumen vibrieren, wobei sie ein langgezogenes Trillern erzeugte. Und gleichsam als Antwort stießen die Reiter aus tiefster Kehle ihre eigentümlichen Vogelrufe aus. Unter den schlanken Händen der Musikerinnen lebte und atmete die Trommel, klopfte wie ein erregtes Herz. Der uralte Rhythmus, der aus ihr sang, war der Rhythmus der Wüste, und ich trug ihn in meinem Blut.
    Auf einmal drängte einer der Reiter sein Mehari ganz nahe an Hinani heran. In vollem Trab beugte er sich weit aus dem Sattel, streckte den Arm aus und entriß ihr das locker um die Haare geschlungene lila Musselintuch. An seiner blauweißen Gandura, an seinem Langschwert, erkannte ich Kenan. Die Frauen lachten, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten erregt, während sich Hinani in gespieltem Zorn die Haare glattstrich. Inzwischen führte Kenan eine Volte aus, löste sich aus dem Kreis der Reiter und jagte über den Sand, wobei er den Schleier unter den Zurufen seiner Gefährten triumphierend schwenkte. Noch während ich das Schauspiel beobachtete, fühlte ich, wie eine Hand mein eigenes Tuch ergriff und 337
    es mir vom Kopf zog. Zu spät hob ich reflexartig beide Hände: Das Tuch war weg! Die Frauen schrien vor Vergnügen, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und schnappten atemlos vor Lachen nach Luft. Ich drehte mich nach allen Seiten, um den Reiter zu entdecken, der mir den Schal entrissen hatte. Ich erkannte ihn nicht sogleich, denn er trug ein schwarzes Zierband, mit einem silbernen Amulett befestigt, um den weißen Schescb. Doch dann wußte ich, wer er war, und stimmte rückhaltlos in das Gelächter ein. Taub für die Scherzworte, die mir die Frauen nun von allen Seiten zuwarfen, konnte ich nur Elias nachblicken, der im goldenen Gegenlicht das Tuch wie eine Siegesfahne über dem Kopf schwang und seinen galoppierenden Falben in weitem Kreis herumjagte.
    Die sinkende Sonne loderte wie ein Flammenbusch – wild, grell, rot.
    Der Iljugan war beendet. Der Staub legte sich; Schatten erfüllten die Dünen. Die Reiter ließen ihre Kamele in den Sand knien oder versammelten sich bereits in kleinen Gruppen. Die Trommel schwieg; man hatte den Sängerinnen Milch gebracht. Schon brannten auf dem Lagerplatz die ersten Feuer. Sakina und Hannon saßen mit einigen Älteren noch immer an der Stelle unter dem Sonnenschutz, und ich fragte mich voller Wehmut, welche Bilder aus der Vergangenheit wohl in ihnen aufsteigen mochten.
    In einiger Entfernung aber ging das Schauspiel weiter. Die Hirtenfrauen hatten sich in einer Reihe aufgestellt und klatschten mit den Händen im Takt, während ihre Männer mit zuckenden Hüften im stampfenden Rhythmus tanzten. Sie drehten sich nach rechts, nach links, setzten ihre Füße in raschen, unbestimmten Schrittwechseln.
    Schwere, rauhe Töne, eine Art unausgesetztes Schreien, drang aus ihrer Kehle. Sie tanzten jeder für sich, ohne Regel oder Zwang, und doch war in den scheinbar zügellosen Bewegungen eine undefinierbare Einheit zu spüren, ein schwingender Zusammenklang.
    Was bedeutete dieser Tanz? Ich verstand – und ich verstand auch nicht. Früher, als Kind, hatte mir Olivia ein Kaleidoskop geschenkt.
    Eine Pappröhre, die an einem Ende mit bunten Steinen gefüllt war und die, wenn man sie auf die eine oder andere Seite schüttelte, faszinierende Muster zeigte. Jetzt fiel mir das alte Spiel wieder ein.
    Ich blickte in ein Kaleidoskop, sah Farben und Muster miteinander verbunden: geheimnisvolle Bilder, die ich nicht zu enträtseln vermochte. Noch nicht.
    Inzwischen schlenderten die jungen Leute zu den Sängerinnen, setzten sich zu ihnen auf die Matte. Sie flüsterten miteinander, 338
    lachten unbefangen und vertraut. Einige Männer hatten sich lang ausgestreckt, das Gesicht an die Schulter ihrer Gefährtin gelehnt. Sie hoben das verschleierte Antlitz zu ihnen empor, um den Blick ihrer Augen aus nächster Nähe zu erhäschen. Ich bemerkte, daß Kenan sich dicht neben Hinani hingekauert hatte. Sie unterhielten sich leise.
    Kenan hatte Hinanis Schal in die Brusttasche seiner Gandura gesteckt und wies beim Sprechen wiederholt darauf, während Hinani ihren gekränkten Ausdruck bewahrte. Schließlich streckte sie die Hand aus, ergriff einen Zipfel des Schals und zog ihn mit leichtem Ruck an sich, während plötzlich ein Lächeln ihre vollkommenen Zähne entblößte. Eine Weile spielte sie mit dem Tuch, wie um den

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