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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zungenfertig.
    Immerhin begriff ich, daß dem Tuch eine besondere Bedeutung zukam. Ich mußte plötzlich lachen. Ich, eine erwachsene Frau, saß zwischen ausgelassenen Achtzehnjährigen und spielte ein Spiel, dessen Regeln mir fremd waren. Also gut, dachte ich, warum nicht?
    In der Zwischenzeit hatte sich Hinani, eine hochgewachsene Schönheit mit feinem Profil, bequem zurechtgesetzt. Sie steckte ihren lila Schleier im Gürtel fest und benetzte ihre Hände in einem bereitgestellten Wassergefäß. Dann begann sie, in raschem, auf- und abschwellendem Rhythmus die Trommel zu schlagen.
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    Dumpf und schwingend stiegen die Töne auf; mir war, als würde die Luft zu flimmern, zu zittern beginnen. Die Trommel erwachte, ließ ein Brummen hören. Nachlässig bestimmten Hinanis Hände den Rhythmus; ihre weißen Zähne blitzten. Sie nickte Torha zu, die mit halbgeschlossenen Lippen leise, fast tonlos zu summen begann. Mit wiegendem Oberkörper klatschten die Frauen die Hände im Takt.
    Torhas Stimme schwoll an; sie war kühl, metallisch, nahezu schneidend. Eine herausfordernde Stimme, begleitet von dem Singsang der Frauen, die jede Strophe der Vorsängerin mit einem stets wiederkehrenden Refrain untermalten.
    Der Gruppe der wartenden Reiter entstieg ein kurzer, schriller Ruf, dem Schrei eines Raubvogels ähnlich. Die jungen Leute schwangen sich in den Sattel, berührten mit den Reitgerten die Flanken ihrer Mehara. Ein Tier nach dem anderen warf seinen Kopf nach hinten, erhob sich mit mächtigem Schwung und trabte auf die Sängerinnen zu. Mit geblähten Nüstern sogen die Kamele die Luft ein, das Zaumzeug klirrte, die Glöckchen klingelten. Ihre Sohlen schweiften im schweren Trab über den Sand, und das erregte Schnauben aus ihren Kehlen mischte sich mit dem Händeklatschen, mit dem steten Pulsschlag der Trommel und den grellen Stimmen der Sängerinnen, die sich in immer höher schwingendem Wechselrhythmus vervielfachten. Ihre schwarzen Flechten schlugen auf Schultern und Hüften, der beschleunigte Atem hob und senkte ihre Brust. Jedes Schmuckstück, jede Kette funkelte, klirrte, bebte im Takt. In Gruppen zu zweien oder zu dreien ließen die Reiter ihre Mehara in immer engeren Kreisen um die Sängerinnen traben, die Gleichgültigkeit heuchelten, ihre Gesichter lachend oder verächtlich zur Seite wandten. Die Tiere reckten den Hals wie Vollblutpferde; der Staub wirbelte unter ihren Füßen auf, während sich ihre gelenkigen Beine im Takt aller Stimmen dehnten und streckten. Sie hoben die Knie bis zur Brust, machten bei jedem Schritt eines Vorderbeins zwei Schritte mit den Hinterbeinen. Hitzeschleier stiegen empor – die schräge Sonne leuchtete kupfern; jedes Tier warf einen langen Schatten.
    Hoch aufgerichtet im Sattel, beherrschten die Reiter ihre Mehara mit Anmut, Gewandtheit und Kraft. Ihre Festgewänder, türkisblau, blütenweiß oder pechschwarz, flatterten wie Schwingen. Die Sonne spiegelte sich auf den Kupferverzierungen und Glöckchen, die purpurnen Fransen der großen Satteltaschen flatterten im Wind. Und so ging das Spiel weiter und wurde immer wilder. Enger, noch enger 336
    schloß sich der Kreis der Reiter; bald drängten sich die Tiere fast Brust an Brust, ihre Flanken rieben aneinander. Die Hälse mit den hochmütig aufragenden Köpfen zuckten schlangengleich hoch und nieder. Es waren die Frauen, die den Gesang bestimmten, den Rhythmus führten; und die Reiter unterwarfen sich ihrer Macht, unterlagen einer Harmonie, die keiner mehr hörte, sondern mit dem Körper wahrnahm. Sie kam aus dem tiefen Fieber des Blutes, der Herausforderung des Schicksals, der Raserei von Liebe und Kampf, dem Hochgefühl des Lebendigseins. Und auch ich wurde hineingezogen, mitgerissen in das konvulsive Stampfen der Reiter, war durch die Vermittlung der Sängerinnen derselben Ekstase ausgeliefert. Das Trommelfell zitterte; die Hände führten ihren eigenen Tanz auf, ihr eigenes Spiel. Ich erfaßte den Rhythmus bald; jeder Schlag, jeder Klang war eine Behexung, stark und zwingend wie ein Liebesrausch, ein hypnotisches Entzücken, ein pulsierender Traum, so alt wie die Erde und lebendiger als das wache Dasein. Bar jeden Willens, jeden Gedankens, trieb ich in einem Strudel von Farben, Klängen und Gerüchen einer magischen Zeit entgegen. Die verschleierten Antlitze wurden zu geheimnisvollen Masken aus Erz und Gold, die Reiter verwandelten sich in Riesen, halb Menschen, halb Götter, die auf den Rücken von Fabelwesen durch schimmernde

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