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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schnaufend auf die Knie nieder. Die Reiter sprangen zu Boden, um ihren Gefährtinnen aus dem Sattel zu helfen. Einige der Ankömmlinge waren nicht älter als fünfzehn, doch alle trugen bereits den Gesichtsschleier. Buntgeflochtene Wollschnüre waren anstelle der Wehrgehänge über die Brust gespannt. Bei einem Reiter fiel mir ein Dolch auf. Er steckte in einer Scheide, die mit Lederschlingen am nackten Oberarm befestigt war. Ein anderer trug oberhalb des 331
    Ellbogens einen auffälligen Reif aus schwarzem Marmor.
    »Was ist das für ein Schmuck?« fragte ich Elias.
    Er lachte.
    »Du wirst es kaum glauben, aber das ist eine Waffe. Man faßt den Gegner mit dem Arm um den Hals und drückt zu. Das geht meist sehr schnell.«
    »Eindrucksvoll!« seufzte ich.
    Ein junger Reiter, wunderschön anzusehen in seiner blaugestreiften Gandura, trug an einem silberbeschlagenen Gürtel ein Langschwert in einer zinnoberroten Scheide. Als er uns entgegentrat, sah ich zwischen den Falten des elegant geschlungenen Scbesch bernsteinfarbene Augen. Ihr verwegener Ausdruck kam mir vertraut vor. Ich täuschte mich nicht.
    »Das ist mein Cousin Kenan«, sagte Elias. »Sein Vater ist der Sohn meiner Tante Lia. Du kennst sie ja. Sie war bei Zara zu Besuch, als du zum ersten Mal bei ihr warst. Wie du siehst, sind wir alle auf die eine oder andere Weise verwandt.«
    Ich erinnerte mich an die kleine, unbeholfene Frau mit den verschmitzten Augen und nickte freudig. Elias nannte Kenan meinen Namen; dieser reichte mir seine warme trockene Hand, wobei es ihm kaum gelang, sein Ungestüm im Zaum zu halten. Elias bat ihn, sein Schwert in die Hand zu nehmen. Kenan lachte stolz und zog es mit sirrendem Geräusch aus der Scheide. Die zweischneidige blinkende Klinge hatte einen lederbezogenen Griff aus Messing und war wunderschön verziert. Einige heraldische Symbole waren in die Klinge graviert.
    »Was steht da?« fragte ich.
    Kenan zwinkerte mit beiden Augen gleichzeitig.
    »Temsi n Takuba. Aber das darf keiner wissen.«
    Seine Heiterkeit war ansteckend. Ich lachte auch.
    »Warum? Was bedeutet es?«
    Elias antwortete für ihn, wobei er sich die Klinge besah.
    »Es bedeutet ›Feuer der Takuba‹. Solche Symbole waren früher geheim. Kannte sie der Gegner, verlor das Schwert seine Kraft. Die Klinge ist wirklich prachtvoll«, setzte er anerkennend hinzu. Kenan hob die Schultern.
    »Sie gehörte meinem Vater. Was soll ich damit?«
    »Deinem Colonel die Streifen abschneiden.«
    Kenan lachte.
    »Das bringt neun Monate ohne Bewährung.«
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    »Du kommst ohnehin in den Knast«, sagte Elias. »So oder so.«
    Kenans langbewimperte Augen funkelten träge und amüsiert.
    »Ich werde sitzen. Aber in weniger als einem Jahr bin ich wieder draußen.«
    »Lohnt sich die Sache?«
    »Die Sache lohnt sich«, antwortete Kenan mit Nachdruck, und beide lachten.
    Da trat Sakina auf uns zu, schwarz gekleidet, mit einem langen, türkisgrünen Schleier. Sie bewegte sich ungezwungen und schien mit den Füßen kaum den Boden zu berühren. Ich starrte sie fasziniert an.
    Dem alten Schönheitsideal der Tuareg folgend, hatte sie sich winzige gelbe und weiße Pünktchen auf Nasenwurzel, Kinn und Wangen gemalt. Ihre schwarz geschminkten Augen schimmerten wie Honig.
    Der hohe Bogen der Brauen, die Wölbung der Wangen, der volle, blau geschminkte Mund schien mir das Schönste, was ich je bei einer Frau gesehen hatte. In ihrer Gegenwart war Kenan plötzlich wie verwandelt, nahezu kleinlaut. Jede Geste, jedes Wort drückte nur noch Ehrerbietung und Bewunderung aus, während Sakina, wie es so ihre Art war, ihn frohgemut zur Zielscheibe ihres Spottes machte.
    »Wie führst du das Schwert deiner Väter? Es ist ein Jammer mit euch, früher hatten die Jungen mehr Schneid. Und was stehst du da wie ein hinkender Storch? Mir scheint, jemand hat zu Unrecht eine hohe Meinung von dir. Ob du überhaupt noch reiten kannst?«
    Kenans Wangen wurden um eine Spur dunkler. Er lachte wie ein ertappter Halbwüchsiger, wandte sich verlegen ab und schob seinen Gesichtsschleier hoch über die Nasenwurzel.
    In der Zwischenzeit waren auf dem ebenen Gelände neben dem Lagerplatz Matten und Decken ausgebreitet worden. Ein Mann brachte eine Trommel aus verwittertem Holz; sie war so groß, daß er Mühe hatte, sie mit beiden Armen zu umspannen.
    »Das ist der Tendi«, erklärte mir Elias. »Wenn es bei uns heißt, ›wir gehen zum Tendi‹, bedeutet das, wir gehen zum Fest. Aber echte Trommeln sind selten geworden.

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