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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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einer leichten Geste, die gerade nur die Fingerspitzen aus dem Schleier hervorschauen ließ, winkte sie mir. Als ich einen Schritt vor ihr stand, streckte sie mir beide Hände entgegen. Die silbernen Reifen, die an ihren Handgelenken hingen, klingelten. Ich stellte erneut fest, wie groß sie war – und wie kräftig. Als ich ihre Hand berührte, schlossen sich die schmalen Finger mit festem Druck um die meinen. Sie zog mich zu sich heran, kniff leicht die Lider zusammen und betrachtete mich eine Weile prüfend und sehr genau.
    Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Als sie sprach, erlebte ich die nächste Überraschung; ihre Stimme hatte zwar den Tonfall, den man bei einer Frau ihres Alters erwartete, aber sonst war sie sanft, kühl und klangvoll.
    »Da bist du ja. Endlich! Ich wurde langsam ungeduldig.«
    Ich war ein paar Sekunden lang stumm; ich hatte das merkwürdige Gefühl, daß sie sehen konnte, was ich dachte; daß sie mich besser kannte als ich mich selbst. Ich sagte:
    »Es tut mir leid. Ich war beschäftigt.«
    Sie nickte gelassen.
    »Ja, du hattest viel zu tun.«
    Sie hielt mir den rettenden Strohhalm hin, an dem ich mich festhalten konnte; im selben Augenblick fühlte ich mich weniger befangen.
    Dann wandte sie sich Elias zu, der schweigend neben mir stand. Er nahm ihre Hand, die er zuerst an seine Stirn, dann an sein Herz legte.
    Sie wechselten die zwischen Mutter und Sohn üblichen Begrüßungsworte. Mir war, als brächten sie dabei ihren Atem in Einklang. Elias beugte sich vor; sie nahm ihn in die Arme, und er drückte seinen Kopf an ihre Brust. Für eine kleine Weile rührten sie sich nicht, bevor sie sich wortlos trennten. Dann kehrte ihr Blick, erfüllt von Wärme, zu mir zurück.
    »Komm!«
    Ich zog meine Turnschuhe aus, trat hinter Amenena gebückt durch die schmale Öffnung. Das flackernde Feuer beleuchtete die karminroten Ziegenhäute, die das Dach bildeten, während ein Teil der Wände aus Matten bestand. Holzstangen stützten sie: eine schön geschnitzte Firststange und sechs Hilfsstöcke, die in einem Oval angeordnet waren. Die herabhängenden Ränder der ledernen Zeltwände wurden am Boden von großen Steinen festgehalten. Rings um das Zelt waren die üblichen Schilfmatten als Windschutz aufgestellt. Ich glaubte zu träumen. Die Welt meiner Kindheit war 350
    hier, nicht nebelhaft diffus oder durch Armut entstellt, sondern klar und unverfälscht, als hätte die Kraft meiner Gedanken sie erträumt und erschaffen. An den Zeltpfosten hingen die prachtvoll verzierten Reisetaschen; das Leder war geschmeidig, die Farben frisch, und jedes mit Kupfer verzierte Schloß ein Meisterwerk. Im Hintergrund des Zeltes stand ein geschnitztes Ruhebett, mit Schaffellen und Decken versehen, genau wie ich es von früher her kannte. Teppiche und Lederkissen bedeckten den Sandboden. Mit graziöser Handbewegung forderte uns Amenena auf, Platz zu nehmen. Stumm und aufgewühlt ließ ich mich auf dem Teppich nieder. Elias blinzelte mir zu.
    »Nun?« fragte er sanft.
    Ich holte gepreßt Atem.
    »Ich bin etwas durcheinander.«
    Er lachte weich.
    »Ja, ich weiß.«
    »Es ist genauso wie früher.«
    »Amenena hat nie gewollt, daß sich die Dinge ändern. Die Dinge sind in unserem Herzen. Wir können nicht davon getrennt sein.«
    Mein Zittern wuchs. In diesem einsamen Zelt, das gewissermaßen als Exil der großen Welt errichtet worden war, erweiterten sich meine inneren Augen.
    Amenena lächelte mir zu. Ihre Zähne waren makellos wie Perlenschnüre. Der indigogetränkte Schleier schien eine Schatulle für dieses Lächeln zu sein.
    »Wer alleine lebt, kann sich vieles bewahren. Aber die Veränderungen kommen. Vielleicht eines Tages, erreichen sie auch dieses Zelt.«
    »Amenena hat alles selbst angefertigt«, sagte Elias. »Die Ledertaschen, die Kissen. Sie webt auch ihre Kleider und färbt sie.«
    Sie erwiderte meinen Blick und nickte.
    »In vielen Dingen ist nichts Lebendes mehr. Oder nur so wenig, daß es sich nicht lohnt, ein Wort darüber zu verlieren. Die Dinge, die unsere Hände schaffen, sind lebendig.«
    »Ich habe von dir geträumt«, sagte ich.
    Sie zeigte nicht die geringste Überraschung.
    »Wenn eine Frau spürt, daß ihr Atem dem Ende zugeht, will sie einer, die nach ihr kommt, ihr Wissen übermitteln.«
    Ich zuckte leicht zusammen. Mein Herz hämmerte. Irgendwelche Farbtupfer, aus der Luft geboren, kreisten vor meinen Augen.
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    »Elias sagt, daß du mich gerufen hast.«
    Sie blinzelte mir zu, wobei sie

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