Wuestenmond
Sonnenbrand!«
Ich lachte.
»Einen ordentlichen, ja, ich weiß.«
»Du solltest deinen Nacken bedecken. In einigen Stunden wird die Sonne glühen.«
»Ich werde mir eine Mütze aufsetzen«, sagte ich. »Gestern habe ich nicht daran gedacht.«
Er betrachtete mich mit einem unergründlichen Lächeln auf den Lippen. Er zwinkerte spöttisch mit den Augen.
»Gestern war ein besonderer Tag.«
»Das ist wohl ganz sicher«, erwiderte ich.
Ich spürte die Blicke der anderen. Nicht als ob sie begriffen hatten, was wir meinten, aber sie waren mir lästig. Ich tat so, als bemerkte ich sie nicht. Ich hörte kaum, was sie sprachen. Was in meinen Augen zu lesen stand, sah nur Elias.
»Es ist besser, wir brechen früh auf«, sagte er. »Heute wird es heiß.«
»Heiß?« Serge rieb sich aufgeräumt die Hände. »Eine herrliche Kälte ist das hier! Ohne jede Feuchtigkeit, klar und rein. Gut für die Lunge.«
Elias nickte.
»Vor Sonnenaufgang ist es am kältesten. Aber dann steigt die Temperatur.«
Der Tee war inzwischen »richtig«, wie Adil verkündete. Wir tranken ihn langsam und vorsichtig, weil er noch sehr heiß war und uns so am besten schmeckte. Unsere Müdigkeit verflog. Bald strömte das Blut wieder warm durch unsere Adern. Das Tageslicht nahm zu. Der frische, kühle Sand, die Felsen, die ganze Natur schien zu atmen wie ein lebender Körper. Nach dem Frühstück machten wir unsere Sachen bereit. Elias füllte seine Guerba mit frischem Wasser aus dem Kanister. Er hatte auch seine Satteltasche dabei. Ich trat zu ihm und er lächelte mich an.
»Du hast deine Mütze aufgesetzt.«
»Ich werde sie nicht mehr abnehmen«, sagte ich. »Ich werde sogar mit ihr schlafen.«
»Das macht nichts«, sagte er. »Sie steht dir gut.«
140
Wir sahen einander an, empfanden die gleiche Befangenheit; ich bemerkte es an seinem Blick.
»Gestern, da war ich etwas verwirrt«, sagte ich.
»Ich war wahnsinnig verwirrt«, sagte er.
»Aber du hast keinen Sonnenbrand.«
Er warf den Kopf zurück und lachte, wobei er den Musselinschleier mit zwei Fingern über die schlanke Nase zog. Ich wandte mich ab.
Ich fühlte mich unendlich glücklich.
Wir verabschiedeten uns von Adil und machten uns auf den Weg.
Jeder trug Proviant, Schlafsack und das Filmmaterial. Rocco hatte einen tragbaren Generator dabei; die Lichtgestaltung mochte verlangen, daß wir ein oder zwei Scheinwerfer zu montieren hatten.
So stapften wir durch den leuchtenden Morgen; bald begann der Anstieg um die Felsen herum. Ein kleiner schwarzweißer Vogel, den die Wüstenbewohner Moula-Moula nennen, schoß über die Dünen.
Auf der Hochebene kam der Morgen fast sprunghaft. Von einer Anhöhe aus filmten wir mit Weitwinkelobjektiven den Sonnenaufgang. Wir verwendeten Ilford-Material, um die Kontraste hervorzuheben. Als es losging, waren wir bereit: Bald färbte sich ein Fels orange, ein anderer korallenrot, während das Gebirge gegenüber noch immer dunkel und von Schatten verhüllt blieb. Auf einmal flutete eine Lichtwelle über die Wüste, daß ich geblendet zu Boden sah. Im selben Augenblick berührte ein warmer Hauch mein Gesicht.
Und als ich die Augen hob, glitt der Sonnenball wie eine riesige Feuerkugel hinter dem Udan hervor. Mit einem Schlag entsprang aus dem Schatten das klare, starke Licht. Alles um uns herum glänzte, funkelte, strahlte. Glühende Pfeile schossen über die Wüste hinweg, und Enrique machte triumphierend das V-Zeichen.
»Gut für mich!«
»Das wird nach etwas aussehen!« rief ich ihm zu.
Der Abstieg in die Schlucht war uns diesmal vertraut. Wir filmten fast alles im Gegenlicht. Enrique und Thuy trugen die Kameras, ich stellte mein Tonband ein und sprach den Kommentar dazu, der meiner Stimmung in diesem Augenblick entsprach. Mir war es immer wichtig gewesen, daß in den Filmen meine Gefühle zum Ausdruck kamen.
Als wir den Talgrund erreichten, erfaßte die noch milde Sonne die Sandfelder schräg von der Seite. Wir stapften auf die Felswand zu.
Enrique ging voran und filmte; er hatte sich am Tag zuvor die Strecke gut eingeprägt. Das Morgenlicht war magisch; durch den 141
Sonnenschein erschienen die Halbreliefs wie lebendig. Die Gravuren zeigten einen Sinn für Stil und Proportionen, der den unsrigen absolut ebenbürtig war. Wir filmten auch die maskierten Gestalten auf der anderen Seite. Die scharfen Gegensätze von Licht und Schatten hoben die Petroglyphen noch deutlicher hervor: Sie waren mit Faustkeil und Steinmeißel in die Felsplatte
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