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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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improvisiert haben.«
    Endlich konnte ich Elias ansehen. Ich fragte: »Wo warst du so lange?«
    Er nahm einen Schluck Wasser aus der Guerba und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ein Blick seiner leuchtenden Augen traf mich.
    »Komm, wir gehen«, sagte er.
    »Was denn, eine Audienz beim Papst?« brummte Rocco und sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Wir rappelten uns träge auf, machten das Material bereit und folgten ihm. Ein stiller Wind strich über den Sand und verwischte sofort unsere Spuren.
    »Ich war schon lange nicht mehr hier«, erklärte Elias. »Ich mußte die Stelle erst suchen.«
    Der Weg war gewunden, eine Folge scheinbarer Sackgassen.
    Abwechselnd gingen wir durch Schatten und sengende Hitze. Auf beiden Seiten der Schlucht schimmerten rosarote Sandsteinwände; Sonnenlicht hing daran wie Staub. In größerer Höhe sahen wir andere Felszeichnungen; sie waren für die Kamera nicht leicht zu erfassen. Elias ging zielsicher durch ein Labyrinth von Formen, die der Flugsand aus den Steinen geschnitten hatte, bis sich vor uns ein etwa hundert Meter breites Talbecken öffnete. Es hatte in etwa die Form eines Amphitheaters. Merkwürdige Umrisse zeichneten sich unter dem Sand ab: ein ganz regelmäßiges Quadrat, dann wieder eins. Weitere Quadrate erschienen um die ersten herum und reichten bis zu halber Höhe hinauf. Langsam wanderten wir weiter, bis wir das Gelände überblicken konnten. Das absolut geometrische Ruinenfeld schien einfach dahingeschmolzen, in den Boden versunken. Sand lag über allem wie ein Leichentuch.
    Elias streckte die Hand aus.
    »Hier entlang flöß der Strom. Man sieht die Spuren.«
    Bis auf eine Höhe von drei oder vier Metern war der Felsen nahezu ausgehöhlt; der Fluß, der einst durch das Tal brauste, mußte gewaltig gewesen sein. Thuy hob etwas auf, das auf den ersten Blick wie ein merkwürdig geformter Stein aussah. Neugierig drehte sie es hin und 144
    her; die Bruchstellen schimmerten wie glasiert, das honigfarbene Muster einer Rinde war deutlich zu erkennen. Thuy sah Elias fragend an.
    »Holz?«
    Er nickte.
    »Hier wuchsen Riesenbäume. Die Stämme liegen unter dem Sand.
    Versteinert.«
    Wir filmten eine Zeitlang, obwohl die Sicht zu kontrastreich war. Es war einfach unglaublich, wie viele Details allein schon beim Ausleuchten zu beachten waren. In diesen Dingen war Rocco einfach unersetzlich. Er war nie imstande, einem offen in die Augen zu blicken, aber er gehörte zu denen, die Einfälle hatten.
    Endlich machten wir uns wieder auf den Weg, mit der Kamera in Bereitschaft. Unsere Füße sanken bis über die Gelenke in den lockeren Sand. Wir verließen den Talgrund und kletterten über Felsbrocken. Die Schlucht hatte sich nicht nach dem üblichen Zyklus der Erosion gebildet. Steinformationen aus verschiedenen Zeitepochen bildeten ein überdimensionales, ja kitschiges Chaos, für eine Space-Oper das ideale Set. Das vulkanische Urgestein, von Sedimenten bedeckt, war in Fetzen gerissen. Neben klaffenden Löchern aus Sandstein standen Lavaschlote; sie ließen mit ihren Falten an Zahnpasta denken, die unter Druck aus der Tube quillt.
    Granite, die härter als Sandstein sind, waren poliert wie moderne Skulpturen und schillerten in allen Regenbogenfarben. Manche glichen menschlichen Gestalten: Hoch aufgerichtet schienen sie auf die Eindringlinge herabzublicken, die unter ihrem steinernen Antlitz vorbeigingen.
    Enrique schwenkte die Kamera hoch. Er fand immer wieder neue Einstellungen und hielt uns alle in Schwung. Gelegentlich wurde ein Rascheln hörbar. Winzige Schatten huschten über die Felsen; es waren Eidechsen, die aufgeschreckt in Spalten flüchteten. Irgendwo mußte es Wasser geben. Eine unterirdische Quelle, vermutete ich.
    Elias ging voraus und zeigte uns den Weg. Vorsichtig überquerten wir eine natürliche Brücke aus erodiertem Sandstein; Elias half uns über einige heikle Stellen hinweg. Auf der anderen Seite waren die Steine durchweg vulkanischen Ursprungs. Elias ging auf eine bronzefarbene Wand zu und zeigte auf eine Öffnung.
    »Hier!« sagte er.
    Am Gestein klebten Flechten, rötlichgelb, mit Sand überpudert. Ich sah Elias fragend an.
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    »Wasser?«
    »Unten«, sagte er.
    Er packte meine Hand mit warmem, festem Griff. Die Handfläche war völlig trocken; in der Wüste verdunstet der Schweiß sofort. Wir zwängten uns durch die Öffnung, die größer war, als sie aussah. An ihrer schmälsten Stelle war über zwei Steine ein Strick gespannt,

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