Wuestenmond
meiner Brust gesprengt hätte. Ich wälzte mich im Schlafsack hin und her, erwachte und spürte tatsächlich, daß Tränen meine Augen verklebten. Die Kälte brannte auf meinen Wangen. Verstört suchte ich ein Taschentuch, putzte mir die Nase. Mir war entsetzlich kalt.
Ich breitete alle meine Kleidungsstücke über den Schlafsack. Zuletzt erinnerte ich mich an das Paar wollene Socken in meiner Tasche und streifte es über meine eisigen Füße. Es dauerte lange, bis mir etwas wärmer wurde. Der Wind wehte über mich hinweg, Woge um Woge, und ich hörte mich sagen: »Sie ist nur selten zu sehen…«
Und dann schlief ich ein.
Bevor der Morgen kam, wurde die Luft noch schärfer. Ich erwachte mit eiskaltem Gesicht. Der Himmel war matt wie zugefrorenes Wasser, in dem einige blasse Sterne eingeschlossen waren.
Zähneklappernd wickelte ich mich aus dem Schlafsack, machte einige Dehnbewegungen. Adil war schon wach und schürte das Feuer. Unter der Asche war noch Glut, die das dürre Gras, das Adil darauflegte, rasch entflammte. Ich goß etwas Wasser aus dem Kanister in eine Plastikschüssel, wusch mir Gesicht und Hände, rieb meine fröstelnde Haut mit einem kleinen Handtuch trocken. Mein Gesicht war rot, und das Abtrocknen ließ mich das Brennen noch stärker spüren. Also doch ein Sonnenbrand! Es war ein wenig so, als hätte ich die Haut voller Kratzwunden. Ich verteilte Niveacreme auf mein Gesicht. Mein Haar war steif vor Sand, und als ich es bürstete, wurde die Bürste braun. Das gebrauchte Wasser goß ich in den Sand.
Meine Hände waren so kalt, daß ich die Knochen unter dem Fleisch spürte; ich sehnte mich nach der Wärme des flackernden Feuers.
Auch die anderen regten sich jetzt, krochen aus ihren Schlafsäcken.
Wir setzten uns dicht an das Feuer, wünschten uns schlotternd guten 138
Morgen, und Rocco rauchte seine erste Zigarette.
»Du hast dir einen ordentlichen Sonnenbrand geholt«, stellte Thuy fest. »Du solltest dich eincremen.«
»Habe ich schon.«
An der Schwelle des neuen Tages fühlte ich, wie meine Haut prickelte, wie das Blut schneller in meinen Adern kreiste. Elias war nicht da; er mußte sich irgendwo in der Nähe seines Meharis zur Ruhe gelegt haben. Adil backte Brot; wir sahen zu, belustigt und interessiert. Er hatte Wasser geschöpft, in das er etwas Weizengries gab, und eine Prise Salz dazu. Dann wurde der Teig kräftig geknetet und geformt. Als er einen runden Fladen gebildet hatte, stieß Adil die drei Feuersteine weg, schob mit einem Aststück die Asche zur Seite und klatschte den Fladen auf die zischenden glühenden Holzreste. Mit dem sauber geschälten Ast schob er den von Feuer erhitzten Sand über den Teig.
»Bemerkenswert erfinderisch«, murmelte Serge. Adil, der eine besondere Zuneigung zu ihm gefaßt hatte, lächelte erfreut.
»Du kannst die Tagella jeden Morgen backen. Es geht ganz leicht.
Wenn du willst, bringe ich es dir bei…«
Nach einer Weile grub er den Fladen aus der Asche, hielt uns stolz das frischgebackene Brot entgegen.
»Und der Sand?« fragte Rocco. »Wird der auch mitgegessen?« Adil schüttelte lachend den Kopf.
»Warte, Monsieur!«
Er goß Wasser über den Fladen; die im Teig eingebackenen Glutstücke zischten. Adil entfernte sie geschickt mit den Fingern, bevor er das Brot in mehrere Stücke brach. Thuy kostete argwöhnisch. Was das Essen betraf, war sie wählerisch.
»Schmeckt gut!« rief sie überrascht. Tatsächlich schmeckte das warme Brot vorzüglich; dann und wann knirschten Sandkörner unter den Zähnen, aber das war gesund. Adils Augen sprangen erwartungsvoll von einem zum anderen. Wir sparten nicht mit Komplimenten, und er war glücklich.
»Da ist dein Cousin«, sagte plötzlich Enrique zu mir. Ich folgte Enriques Blick und sah Elias langsam näher kommen. Das Licht war jetzt heller; sein Mehari stand wie eine große helle Gestalt in den Dünen. Mir war zumute, als ob ich schliefe, so gelöst und voller Glück. Elias trug seine große Satteltasche, die er nun auf den Boden gleiten ließ. Die Begrüßung war herzlich; Elias setzte sich neben mich; er hatte den Schleier unter sein Kinn gezogen. Ich sah ihn an, 139
mein Herz schlug schneller. Seine Haut war straff und glatt. Sonne, Müdigkeit und Alter hatten es noch nicht gezeichnet, und die Dämmerung verlieh seiner Haut einen jugendlichen goldenen Schimmer. Er blickte mir ebenfalls ins Gesicht; seine Augen weiteten sich ein wenig, und er rief überrascht:
»Aber du hast ja einen
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