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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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folgen«, unterbrach ihn die schweigsame Thuy.
    »Du ärgerst dich über Vandalen und willst, daß wir hier filmen?
    Oder etwa nicht?« fragte sie, die Augen streng, als ob sie ihre ganze Vernunft dagegensetzte.
    Elias hob seine schmalgliedrige Hand.
    »Der Vandalismus in Djanet hörte auf, als die Medien sich empörten und die Bilder unter den Schutz der UNESCO gestellt wurden.
    Internationale Geldmittel setzen die trägsten Behörden in Trab, machen die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer. Mir soll das egal sein. Aber vor den Bildern stehen jetzt Wachposten. Die Touristen haben sich, bitte schön, korrekt zu benehmen. Die Malereien sind gerettet, die Regierung kauft Waffen, und alle sind zufrieden.«
    Ich mußte einräumen, daß ich selber nicht darauf gekommen wäre.
    Elias war kein Träumer, sondern ein nüchterner Realist, der die Bedrohung, die von seinen Zeitgenossen ausging, nicht unterschätzte. Die Menschen bestaunen gerührt Kunstwerke, deren Erhaltung Millionen kostet. Sind sie gratis zu sehen, erklärt man ihnen den Krieg und beschmiert sie wie jede Bahnhofsunterführung.
    So wird die Vergangenheit zur Kapitalanlage, von der jedes Entwicklungsland zehrt. Man muß nur schön kräftig die Werbetrommel rühren.
    Ich sagte, obwohl es mit meinem Kopf nicht besser wurde:
    »Behalte dein Haus, Elias. Ich mache den Film und helfe dir, den Laden zu verkaufen.«
    Rocco sah mich ungeduldig an.
    »Ich verstehe kein Wort.«
    »Hörst du überhaupt zu?« fragte ich.
    »Mit beiden Ohren. Aber wenn ich euch störe, brauchst du es bloß zu sagen«, sagte Rocco eingeschnappt.
    »Es ist ein sehr alter Laden, weißt du«, sagte Elias nachsichtig. »Er stammt aus der Eiszeit. Vor vierzigtausend Jahren drangen Gletscher bis nach Mitteleuropa. Jedes Schulkind lernt, daß die Eiszeit den Menschen zum Verhängnis wurde. Nicht hier. Nicht im Ahaggar.
    Hier konnte man Inseln überschauen, und darüber hinaus große Seen. Hier baute man Städte, die jetzt nur noch Legende sind.«
    »Aber Schliemann entdeckte Troja«, ergänzte Enrique. »Und inzwischen wissen auch die Schulkinder, daß alte Sagen nicht nur Märchen erzählen.«
    Elias lächelte gleichfalls.
    150
    »Die Bibel berichtet vom Garten Eden, die Griechen vom goldenen Zeitalter. Wir Tuareg sprechen von der ›Zeit der Warane‹.«
    »Hört sich toll an«, sagte Enrique.
    In Elias’ Welt, dachte ich, gab es keine Schubladen. Für ihn führte eine direkte Linie zurück in seinen Vorfahren; die Vorfahren waren hier, aber sie verbargen ihr Geheimnis, wie Götter sich in alten Tempeln hinter Wandschirmen verbergen. Meine Kopfhaut kribbelte. Draußen sank die Sonne, es wurde dunkel in der Höhle.
    »Was ist das?« fragte ich und merkte im selben Atemzug, wie das Kribbeln stärker wurde. Ja, es kam von dort.
    Elias sah in die Richtung, die ich ihm zeigte. Er ging ein paar Schritte weiter, hob warnend die Hand. Vorsichtig traten wir näher und erblickten ein Loch mit einem Durchmesser von etwa einem Meter. Der Schlot schien waagerecht in die Tiefe zu gehen. Elias blieb unmittelbar davor stehen. Mir jedoch war es, als ob ich wie ein Hund den Geruch der Gefahr witterte und davor zurückschreckte.
    »Ist da noch eine Höhle?« fragte Enrique.
    »Ja«, sagte Elias. »Geh nicht zu nahe heran.«
    »Kennst du sie?«
    Elias’ Blick zeigte Zurückhaltung. Doch er sagte:
    »Ich war zwölf, als ich mit den Kamelen meines Onkels auf die Weide zog. Bei uns macht jeder Junge diese Lehrzeit durch. Meinem Freund Tejoub gefiel das ebensowenig wie mir. Im Tefedest hatte es geregnet; wo Regen fällt, wird der Boden schnell grün. Nun gibt es nichts Langweiligeres als weidende Kamele, und mein Onkel war kein redseliger Mensch. Tejoub und ich hatten es bald satt und streiften durch die Gegend. So kam es, daß wir die Grotte entdeckten und auch das Loch fanden. Jungen haben keinen Sinn für Gefahr.
    Die Kletterei sah einfach aus. Wir turnten hinab und hatten Glück, daß wir mit dem Leben davonkamen.«
    Er hob einen Stein auf und warf ihn in den Spalt. Ich zählte gut zwei Sekunden, bevor ich weit entfernt ein leichtes Geräusch vernahm.
    »Zwanzig Meter!« murmelte ich. »Ungefähr.«
    »Unten ist der Boden porös«, sagte Elias. »Das Grundwasser sickert an die Oberfläche. In der Höhle leben Molche, die nie das Tageslicht gesehen haben. Sie sehen wie Gespenster aus, weiß und blind…«
    Bei seinen Worten zog mir Gänsehaut über Hals und Arme. Es wurde kälter in der Höhle, oder

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