Wuestenmond
Sorte.«
»Was soll eigentlich der Strick?« fragte Rocco. »Und was sind das für Leute, die hierherkommen?«
»Einige von uns«, sagte Enrique.
»Keine Touristen?«
Elias antwortete nicht sofort; hier in dieser Grotte kam er mir verwandelt vor. Sein Wesen war verschwiegen, unaufspürbar. Es überkam mich eine merkwürdige Zärtlichkeit; er war so vollkommen und so frei in einer Welt, die uns fremd war.
»Bisher noch nicht«, sagte er.
»In Frankreich mußte die Höhle von Lascaux für Touristen gesperrt werden«, sagte Enrique. »Sie haben einiges beschädigt. Sie taten es vielleicht nicht in böser Absicht, aber für die Malereien war sogar ihr Atem Gift.«
Serge zog ein Gesicht, als gälte es, eine Katastrophe zu verhindern, und sah mich kopfschüttelnd an.
»Es ist wirklich so, wie Enrique sagt. Sobald unser Film im Fernsehen kommt, werden die Massen herbeiströmen. Die Leute wollen solche Dinge mit eigenen Augen sehen, die Reisebüros werden Rundreisen verkaufen. So läuft die Geschichte immer ab.«
Hör schon auf, dachte ich, du bist nicht aufrichtig. Heuchelei lag mir nicht, wir verdienten schließlich unser Brot damit. Ich antwortete kühl:
»Die Medien sind längst aktiv geworden. Wir sind ja auch nicht zufällig hier. Warum hätten die Italiener die Entdeckung für sich behalten sollen?«
»Sie waren aber nicht in dieser Grotte«, meinte Serge.
»Mit Sicherheit nicht. Sonst wäre davon die Rede gewesen. Falls wir Konkurrenten haben, stehen unsere Chancen besser.«
»Mach, was du willst, du wirst ja sehen, was daraus wird.« Serge sah bekümmert aus. »Und hinterher tut es dir leid.«
Elias senkte die Fackel; schlagartig stürzten alle Schatten zu Boden.
Die Bilder zogen sich in das Dunkel zurück. Er hatte bislang wenig gesprochen, bloß Fragen beantwortet. Er hatte uns reden lassen, uns unentwegt geprüft, beobachtet. Mit seinen Augen hatte er uns längst erkannt.
»Es ist vielleicht nicht die beste Lösung«, sagte er. »Aber mir fällt keine andere ein. Und es wird höchste Zeit.«
Serge starrte ihn an und hob dann die Schultern. »Gut, wenn du so 148
denkst. Ein Stück alter Kultur für die Massen, die sich langweilen.
Und Entwicklungshilfe zum Tausch. Felsmalereien verkaufen sich gut, weil jeder sich fragt, ob sie nicht von Besuchern aus dem All stammen.«
Elias antwortete mit einer Art vertrauter Ironie.
»Exklusivität sollte, wenn möglich, authentisch sein. Aber wenn ich den Laden verkaufe – das Haus behalte ich.«
Ich hörte zu und versuchte hinter den Sinn seiner Worte zu kommen.
Ich sah ihn im Helldunkel stehen, sah das bläuliche Weiß seiner Augen; er war so schön in seiner inneren Ruhe, und von hinten kam der zarte Farbenschimmer der Malereien. Der Anblick ging mir durchs Herz, und gleichzeitig fühlte ich mich benommen. Dieser Ort war gefährlich. Ich hätte nicht sagen können, warum. Es lastete stark auf mir.
»Höhlenbilder müssen schon sensationell sein, um Aufsehen zu erregen«, sagte Serge. »In letzter Zeit sind solche Entdeckungen wie diese rar geworden, verdammt rar.«
»Hier gibt es noch andere Höhlen«, sagte Elias.
»Mit Bildern?«
»Möglicherweise schon.«
»Ich sagte es ja, in ein paar Jahren steht hier ein Motel«, seufzte Serge. »Traurig. Es macht mich traurig«, setzte er düster hinzu.
»Es braucht dich nicht traurig zu machen«, sagte Elias. »Hör zu. Die ersten Felsbilder wurden in den sechziger Jahren entdeckt. Im Tassili n’Ajer, in der Nähe von Djanet. Du hast sicher davon gehört. Und es dauerte nicht lange, da kamen die Touristen.«
Er hielt inne, und in der Stille wurde es mir wieder kalt. Dazu hatte ich Kopfschmerzen. Jetzt weg von hier, war mein einziger Wunsch.
»Wir haben keine allzu sympathische Vorstellung von Touristen«, fuhr Elias fort. »Auch in Djanet machten sie absonderliche Dinge.
Zum Beispiel, Stücke aus der Felswand zu brechen, zur Erinnerung oder um sie zu verkaufen. Namen und Datum einritzen, schmierige Sprüche daneben. Die Bilder mit Wasser oder Spucke naß machen, damit die Farben auf dem Film besser zum Vorschein kommen. Die Verwaltung in Djanet sah zu und unternahm nichts. Die Touristen machten das Gelände zur Müllhalde, ließen ihren Abfall liegen; die Tuareg protestierten bei der Verwaltung. Dort wurden sie herumgeschubst, von einem Büro zum anderen. Für den Islam ist jede bildliche Darstellung des Menschen eine Gotteslästerung.
Folglich war es den Herren egal.«
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»Ich kann dir nicht
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