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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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gelangte schon zu der Überzeugung, das ganze Unternehmen werde ohne jeglichen Zwischenfall ablaufen, als in dem spärlichen Wäldchen in der Nähe eines Wasserloches, das die Franken die Quellen von Cresson nannten, plötzlich aus dem Nichts heraus eine Schar von Rittern auftauchte und mit erhobenen Lanzen in vollem Galopp auf sie zuhielt.
    De Ridefort war es gelungen, zu den hundertvierzig Rittern aus der Garnison noch fast vierhundert Fußsoldaten zusammenzuziehen, aber dennoch glich seine Armee im Vergleich zu dem riesigen Tuch muslimischer Kämpfer einem armseligen Stofffädchen. Außerdem bewirkte der übereilte Angriff, dass die Fußsoldaten ins Straucheln gerieten und die Reiter dem Gegenangriff, den Gökböri anordnete, sowie die Franken sich neu zu formieren versuchten, wenig entgegenzusetzen hatten. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance. Innerhalb weniger Minuten waren sie von der Frontlinie der Muslime umzingelt.
    In den hinteren Reihen versuchten Bilal und Salim, ihre nervösen Pferde zu beruhigen, und hielten nach Gegnern Ausschau. Plötzlich kam ein aus einer tiefen Halswunde blutender Mann in einer weißen Tunika auf sie zugestürmt, schwang sein Schwert über dem Kopf, ließ es niedersausen und brach dann vor ihren Füßen tot zusammen. Der Hieb hatte Bilals Schwertarm zwischen Ellbogen und Handgelenk getroffen. Seine Rüstung hatte den Unterarm davor bewahrt, abgetrennt zu werden, aber Bilal wusste sofort, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Zuerst spürte er nur ein taubes Gefühl, doch als Salim ihm den Handschuh auszog, wäre er vor Schmerz fast ohnmächtig geworden. Der untere Teil seines Arms fiel schlaff und unbrauchbar auf seinen Schenkel.
    »Er ist gebrochen«, stellte Salim fest, dabei riss er einen Streifen von seiner Tunika ab, um eine provisorische Schlinge daraus zu knüpfen. »Wahrscheinlich gleich beide Knochen. Hier kannst du nicht bleiben. Reite zum Lager zurück, dort werden sich die Leibärzte meines Vaters um dich kümmern. Berichte Imad ad-Din, was geschehen ist. Er soll meinem Vater sofort schreiben; der Sultan muss so schnell wie möglich von unserem Sieg erfahren.«
    Sieg?, dachte Bila benommen. Er stand unter Schock, und die Schmerzen vernebelten sein Bewusstsein. Doch als er über das Meer wogender Leiber hinwegblickte, das sich bis zum Horizont erstreckte, sah er kein einziges Banner mit rotem Kreuz mehr, und endlich dämmerte ihm, was gerade geschehen war.
    »De Ridefort …«, begann er.
    »Ich weiß. Ich werde ihn finden.«
    »Lass ihn nicht entkommen.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen. Und jetzt reite los.«
    »Eines noch«, stieß Bilal, von einer Welle von Übelkeit übermannt, heiser hervor. »Unter den Rittern gibt es einen Mann namens de Mailly … er ist der Marschall der Templer. Wenn er noch am Leben ist und du ihn ausfindig machen kannst, töte ihn bitte nicht.«
    Salim maß ihn mit einem verwirrten Blick. »Warum nicht?«
    Ja, warum nicht?, fragte sich Bilal, aber er war nicht in der Verfassung, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. »Bitte«, wiederholte er nur.
    Noch immer verdutzt und fast davon überzeugt, dass Bilal vor Schmerzen nicht mehr wusste, was er sagte, nickte Salim. »Ich verspreche, dass ich ihn verschone, wenn es in meiner Macht steht«, erwiderte er, und da Bilal scheinbar im Begriff stand, noch eine weitere Bitte an ihn zu richten, versetzte er Anjum mit der flachen Seite seines Schwertes einen Schlag auf die Kruppe, sodass die Stute erschrocken davongaloppierte. Doch als er sich wieder zu dem Schlachtgetümmel umwandte - ein beschönigendes Wort für das Gemetzel, das dort stattfand - erkannte er, dass sein Versprechen hinfällig war. Da jedem fränkischen Ritter siebzig Mudschahedin gegenüberstanden, konnte keiner der Templer mehr am Leben sein, und er musste nicht gegen seine Überzeugung handeln und eingreifen, um einen von ihnen zu schützen.
     Von einer Dosis Mohnsaft betäubt döste Bilal im Halbschlaf vor sich hin und träumte von blutdurchtränkten weißen Tuniken und warmen braunen Augen, als ihn ein kalter Luftzug weckte. Mühsam schlug er die Augen auf und sah Salim mit der Zeltklappe in der Hand im Eingang stehen und sich so benommen umblicken, als könne er sich nicht daran erinnern, wo er war. Einen Moment später holte er tief Atem, stieß ihn vernehmlich wieder aus und betrat das Zelt. Er starrte vor Staub und getrocknetem Blut, und sein Gesicht schien um zehn Jahre gealtert zu sein, seit sie sich auf dem

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