Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
Vom Netzwerk:
Schlachtfeld getrennt hatten.
    Bilal war ob dieses Anblicks zu erschrocken, um einen Laut herauszubringen. Stumm und bis ins Mark erschüttert sah er zu, wie Salim seinen Helm und sein Schwert in eine Ecke schleuderte und dann mit langsamen, traumähnlichen Bewegungen seine Tunika abstreifte, sie in die Höhe hielt und die Blutflecken und Risse einen Moment lang betrachtete, ehe er sie gleichfalls zu Boden fallen ließ. Dann riss er sich seine restlichen Kleider vom Leib, bis er nackt und zitternd dastand, packte den ganzen Stapel und warf ihn in die Nacht hinaus. Endlich bemerkte er, dass Bilal ihn beobachtete, und trat zu ihm. Im Lampenschein wurden Tränenspuren auf seinem Gesicht sichtbar.
    »Was macht dein Arm?«, fragte er so schleppend, dass Bilal zu dem Schluss kam, dieser Eindruck müsse das Resultat seines eigenen drogenbenebelten Zustandes sein.
    »Du hattest Recht«, erwiderte er. Seine eigene Stimme klang in  seinen Ohren ganz so wie immer. »Beide Knochen sind gebrochen, aber es ist zum Glück ein glatter Bruch, und die Ärzte sagen, er würde schnell heilen. Allerdings war es nicht gerade angenehm, als sie den Arm gerichtet haben …«
    »Es tut mir leid«, sagte Salim in demselben seltsam unbeteiligten Ton.
    »Es war doch nicht deine Schuld.«
    »Ich hätte besser aufpassen müssen.«
    »Dasselbe gilt auch für mich. Und jetzt sag mir, warum du geweint hast.«
    »Nein«, entgegnete Salim leise, aber bestimmt.
    »Man weint nicht, weil man eine Schlacht gewonnen hat. Also muss noch etwas anderes passiert sein.«
    Salim sah ihn lange an. Seine Lippen öffneten sich, formten aber keine Worte, und mit einem Mal wusste Bilal, was kommen würde. Nahezu unhörbar flüsterte der Prinz: »Ich habe ihn getötet, Bilal. Ich habe Jacques de Mailly getötet.«
    Bilal atmete tief durch. »Dann hattest du gewiss keine andere Wahl«, sagte er tonlos.
    »Oh doch«, gab Salim bitter zurück. »Wir haben noch nicht einmal miteinander gekämpft. Ach, Bilal, - ich finde keine Worte dafür!«
    »Fang ganz am Anfang an«, riet Bilal sanft. »Der Rest kommt dann von selbst.«
    Salim nickte, setzte sich neben Bilal auf das Bett, schlang die Arme um seinen Oberkörper und begann: »Als du zum Lager zurückgeritten bist, war alles schon vorbei. Die Franken, die nicht gefallen waren, hatten sich ergeben - alle außer einem.«
    »Ihm«, sagte Bilal.
    Salim nickte. »Du hast mir nicht gesagt, wie schön er war, Bilal. Er hatte ein Gesicht wie ein Engel …« Bei der Erinnerung verdunkelten sich seine Augen, und jetzt endlich spürte Bilal eine tiefe Trauer in  sich aufsteigen. »Als ich ihn fand, versuchte er sich gegen drei Männer zugleich zur Wehr zu setzen, und er war mit seiner Kraft fast am Ende. Er muss gewusst haben, dass seine Gefährten tot waren, trotzdem kämpfte er, als würde ihm eine ganze Armee den Rücken stärken. Ich gebot den Männern Einhalt - denen, die auf ihn einhieben, und denen, die dabei zusahen und ihn verhöhnten. Sie gehorchten, und er stand schwankend da und stützte sich auf sein Schwert, nickte mir aber zu, so wie es die gebildeten Franken tun. Ich fragte ihn nach seinem Namen, und er sagte, er heiße Jacques de Mailly.« Salim brach ab, dann wiederholte er: »Jacques de Mailly. Unsere Sprache floss wie Wasser von seinen Lippen, Bilal - nicht wie bei den anderen Franken, die klingen, als hätten sie zu viel Wein getrunken. Ich sagte ihm, ich würde ihn jetzt gefangen nehmen lassen, und er erwiderte, er würde auf jeden Fall weiterkämpfen. Ich antwortete, ihn erwarte der sichere Tod, wenn er sich von mir nicht helfen ließe, und er dankte mir, lehnte mein Angebot aber ab. Er fürchte den Tod nicht, sagte er. Das Einzige, was er fürchte, sei, seine Gelübde gegenüber Gott zu brechen.
    Ich dachte, er hätte den Verstand verloren, und befahl meinen Männern, ihn zu ergreifen. Doch als sie sich ihm näherten, hob er sein Schwert, und alles begann von neuem. Und da begriff ich, dass er alles andere als verrückt war, sondern im Gegenteil der Einzige inmitten all dieses Irrsinns, der sich seinen klaren Verstand bewahrt hatte, weil …« Er hielt inne, knirschte mit den Zähnen, und seine Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Bilal, er wollte es nicht tun! Er wollte nicht gegen uns kämpfen, und er wollte nicht sterben, aber er glaubte, sein Gott würde es von ihm verlangen, also kämpfte er trotzdem. Er vertraute seinem Gott mehr als seinem eigenen Herzen - wie kann man einen solchen Mann als

Weitere Kostenlose Bücher