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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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dir unbedingt sagen muss, aber ich habe Angst …« Er geriet ins Stocken, seine Augen weiteten sich. Sie waren klar wie Wasser; tiefer Kummer stand darin zu lesen.
    Während er ihn betrachtete, verstand Saladin, der sich nie etwas aus Knaben gemacht hatte, plötzlich, was seinen Sohn so zu ihm hinzog. »Du hast deine Loyalität schon vor langer Zeit unter Beweis gestellt«, sagte er weich. »Sprich aus, was dir die Seele verdunkelt, und fürchte dich nicht.«
    Bilal holte tief Atem und begann.
     

10
    Als Khalidah und Sulayman drei Wochen in Qaf waren, traf eine Bitte um Hilfe bei den Dschinn ein. Sie kam von einem Turkmenenstamm aus der Nähe von Mashad-e-Reza im Südwesten Khorasans; einem Gebiet, das noch immer von den Persern beherrscht wurde. Es war ein kleiner Nomadenstamm, ein Ableger des großen Mary-Teke-Volkes, der mit dem dortigen amir lange Zeit in Frieden gelebt hatte. Doch dieser amir war vor kurzem gestorben, und sein Sohn und Nachfolger schlug einen ganz anderen Kurs ein als sein Vater. Er begann, den Teke für die Nutzung ihres traditionellen Weidelandes Steuern abzupressen, und als die Nomaden nicht zahlen konnten, fing er an, sie öffentlich hinrichten zu lassen. Rakan, der Bote, den der Stamm nach Qaf geschickt hatte, um dort Hilfe zu suchen, war mager und zerlumpt, und in seinen Augen lag ein gehetzter Ausdruck. Tor Gul Khan bat ihn in seine Gemächer, um die Angelegenheit zu besprechen. Nach einer Stunde entließ er ihn, damit er etwas essen und sich ausruhen konnte, und berief eine Versammlung der Ältesten ein.
    Khalidah sah sie in den Tempel strömen, als sie mit den anderen Mädchen das Übungsfeld verließ, um ihr Mittagsmahl einzunehmen. »Wie werden sie sich entscheiden?«, fragte sie Abi Gul.
    »Oh, sie werden der Bitte des Mannes entsprechen«, erwiderte Abi Gul mit einer abwinkenden Handbewegung. »Tor Gul Khan wird ihn morgen mit zwanzig oder dreißig Kriegern heimschicken.«
    »Wirst du sie begleiten?«
    Abi Gul lächelte wehmütig. »Ich werde erst in zwei Monaten sechzehn. Aber Afshan und Shahascina werden wahrscheinlich mitreiten.« Sie nickte zu den beiden anderen Mädchen hinüber, die hoffnungsvoll und unsicher zugleich wirkten.
    Khalidah musterte sie nachdenklich. Auch der bedauernde Unterton in Abi Guls Stimme war ihr nicht entgangen. »Macht ihr euch deswegen Gedanken?«, fragte sie. »Ist eine erste Schlacht etwas, worauf man sich freut oder eher etwas, wovor man sich fürchtet?«
    »Sie ist ein Mittel, um zu dem zu werden, was wir werden wollen«, erklärte Shahascina. »Für Furcht ist da kein Platz.«
    »Für Hoffnung vermutlich auch nicht.« Afshan schüttelte ihren Lockenkopf.
    »Ganz so einfach ist es nicht«, raunte Abi Gul Khalidah zu, dabei verlangsamte sie ihre Schritte, bis Shahascina und Afshan weit genug vor ihnen gingen, um ihrer Unterhaltung nicht folgen zu können. »Wir mögen Qaf mit demselben Ziel verlassen, aber jede von uns erwartet nach ihrer Rückkehr ein anderes Schicksal. Afshan und Shahascina wollen sich beide im Kampf hervortun, um als erwachsene Mitglieder in die Stammesgemeinschaft aufgenommen zu werden, und das wird ihnen zweifellos auch gelingen. Aber wenn sie als Frauen zurückkehren wird Shahascina Sarbaz heiraten, mit ihm in ein eigenes Haus ziehen und, wenn sie die Fruchtbarkeit ihrer Mutter geerbt hat, vermutlich innerhalb eines Jahres selbst ein Kind haben. Ihr erster Kampf könnte leicht ihr letzter sein. Afshan dagegen wird sich wahrscheinlich für ein Leben als Kriegerin entscheiden.«
    »Eine andere Wahl gibt es nicht? Eine Dschinn wird entweder Ehefrau und Mutter oder Kriegerin?«
    »Eine Dschinn wird weder zum Kämpfen noch zum Heiraten gezwungen. Afshan wird Kriegerin werden, weil sie glaubt, dass das ihre Bestimmung ist. Aber sie kann ihre Meinung jederzeit ändern. Eines Tages heiratet sie vielleicht auch, oder wird Hausmutter für die jüngeren Mädchen, oder sie weiht ihr Leben den Göttern, bleibt keusch und wird Tempeldienerin … obwohl ich die letzte Möglichkeit eigentlich nicht in Betracht ziehe.«
    Khalidah konnte ihr da nur zustimmen. Sie hatte diese Tempeldiener - unverheiratete Männer und Frauen - in ihren schmucklosen weißen Gewändern stumm im Tempel umherhuschen, die Altäre herrichten oder Stunden in tiefer Meditation auf den Knien zubringen sehen und konnte sich die immer fröhliche Afshan in dieser Rolle einfach nicht vorstellen. Andererseits konnte sie sich auch schwer vorstellen, wie sie einem Mann den

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