Wuestentochter
darüber nach, wo Sulayman wohl genug Opium herbekommen hatte, um eine ganze Hochzeitsgesellschaft zu betäuben, als sich plötzlich eine Hand um ihre Schulter schloss und sie herumriss. Der Mann, der sie gepackt hatte, gehörte zu Numairs Gefolgsleuten, an seinen Namen konnte sie sich nicht erinnern. Er hatte hagere, vom Licht der ersterbenden Feuer geschärfte Züge und tief in den Höhlen liegende Augen, die mit einem seinem Herrn nicht unähnlichen gierigen Blick auf ihr ruhten.
»Nimm deine schmutzigen Pfoten von mir!«, zischte sie, sich in seinem Griff windend, doch er hatte sie überrumpelt, und er war zu schwer, als dass sie ihn zu Boden hätte stoßen können.
»Im Gegensatz zu diesen Narren«, knurrte er, während sie wie ein in einem Netz gefangener Schmetterling in seinen Händen zappelte, »rühre ich Wein nie an. Er lässt sich zu leicht mit Drogen versetzen … was du ja bewiesen hast.«
»Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?«, herrschte Khalidah ihn an. Sie hatte sich entschlossen, zum Gegenangriff überzugehen, obwohl sich bei seinen Worten eine eisige Hand um ihr Herz zu schließen schien. Es war schlimm genug, dass er sie klar und deutlich der Komplizenschaft bezichtigte, aber noch mehr Angst jagte ihr der Umstand ein, dass er es überhaupt wagte, Anschuldigungen gegen sie zu erheben. Statt sich einer Höhergestellten, die ihn mit einem knappen Befehl hinrichten lassen konnte, gegenüber ehrerbietig zu verhalten zeigte er ihr offene Verachtung - als sei sie in seinen Augen schon tot.
»Sayyida.« Er neigte spöttisch den Kopf. »Dein Vetter wäre sehr enttäuscht, wenn er herausfinden würde, dass du bei dieser Sache deine Hände im Spiel gehabt hast.« Er deutete auf die schlafenden Gäste. »Aber du musst zugeben, dass dies äußerst verdächtig wirkt. Schließlich bist du als Einzige noch wach …«
»Abgesehen von dir.«
Er betrachtete sie mit kalter Belustigung. »Seit deinem dramatischen Abgang aus dem Zelt deines Vaters habe ich den Spielmann nicht mehr gesehen.«
Wenn alles so wäre, wie es sein sollte, hätte diese Anspielung für sie eine ungeheuerliche Kränkung bedeutet und für ihn die Todesstrafe nach sich gezogen. Khalidah versuchte erneut, sich von ihm loszureißen, doch der Mann riss sie herum und schleuderte sie gegen den Pfahl, der die Stallwand trug. Sie schrie auf, aber die Nacht antwortete nur mit Schweigen.
»Wie kannst du dich erdreisten!«, fauchte sie, zwischen Wut und Angst hin- und hergerissen.
»Ich?«, lachte der Mann. »Nach dieser Szene heute Abend fragst du, wie ich mich erdreisten kann? Numair ist ein Narr. Ein anderer Mann hätte seine Frau für ein solches Betragen steinigen lassen.«
»Ich bin nicht seine Frau«, brauste sie auf. »Und werde es auch nie sein.«
Noch während sie ihm diese Worte entgegenschleuderte, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte, aber sie konnte nicht an sich halten, ihr Zorn ob seiner Unverschämtheit war zu groß. Als sie sah, wie die Bedeutung der beiden kurzen Sätze in sein Bewusstsein einsickerte, erkannte sie, dass er sie töten würde. Und dann rief jemand ihren Namen.
Sie drehte den Kopf in Richtung des Geräusches und sah Bilal. Ihr blieb kaum Zeit, um zu registrieren, dass er auf sie zurannte, denn im nächsten Moment holte ihr Widersacher mit dem Arm aus und versetzte ihm einen so wuchtigen Hieb gegen die Schläfe, dass Bilal zu Boden stürzte und regungslos liegen blieb.
»Bilal!«, schrie Khalidah erschrocken auf, aber der Mann hatte sie bereits wieder fester gepackt, und gegen seine körperliche Überlegenheit war sie machtlos. Die Zeit schien so langsam zu verstreichen wie träge über Steine fließendes Wasser, als er sein Messer aus seiner Schärpe zog. Bis auf die vor ihren Augen auf blitzende Klinge war mit einem Mal nichts mehr real. Erst als die Spitze ihre Kehle berührte, löste sich Khalidah aus ihrer Erstarrung. Sie rang sich ein Lächeln ab, schlug einen verführerischen Ton an und blickte unter ihren Wimpern hervor zu dem Mann auf. »Kann ich irgendetwas tun, damit du deine Meinung änderst?«
Er zögerte einen Moment lang überrascht; nicht lange, doch es verschaffte Khalidah die Gelegenheit, ihren Arm aus seinem Griff zu befreien und ihm das Messer zu entreißen. Mit einem tiefen Grunzen trat er gegen ihre Beine und brachte sie zu Fall. Er warf sich sofort über sie. Khalidah setzte sich erbittert zur Wehr. Es gelang ihr, das Messer von ihrem Gesicht fernzuhalten, aber sie
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