Wuestentochter
wiedererkannte: das Lächeln eines Mannes, voller Humor, Ironie und Bedauern. »Saladin gibt mehr auf Tatsachen als auf Gerüchte. Und obwohl er in der Tat sehr fromm ist - vielleicht der frommste Mann, der mir je begegnet ist - ist er alles andere als engstirnig. Du würdest dich wundern, was er alles stillschweigend duldet.«
»Zum Beispiel einen Beduinenbastard als Liebhaber seines Sohnes«, erklang eine Stimme hinter ihnen.
Khalidah drehte sich um und sah Salim im Eingang stehen. Sie erkannte ihn sofort, obwohl er sich seit ihrer Vision in Alipshas Hütte verändert hatte. Er war hagerer, seine schwarzen Augen blickten wachsam und sardonisch. Sie wusste, dass er beabsichtigt hatte, sie mit diesen Worten zu schockieren, aber sie war weder unangenehm berührt zusammengezuckt, noch zeigte sie irgendeine Regung, als er Bilal lange und leidenschaftlich zu küssen begann.
»Was ist denn los mit dir?« Bilal schob ihn ärgerlich von sich.
»Er fürchtet, ich könnte dich ihm wegnehmen«, erwiderte Khalidah an Salims Stelle. Dann wandte sie sich an den Prinzen. »Aber das würde mir schwerlich gelingen, selbst wenn ich es darauf anlegen würde. Doch wenn du zu blind bist, um die Stärke seiner Liebe zu dir zu erkennen, sollte ich es vielleicht trotzdem versuchen.« Sie fixierte ihn mit ihren goldenen Löwinnenaugen.
Salim musterte sie einen Moment lang forschend, dann lächelte er. »Verzeih mir«, entschuldigte er sich. »Du hast Recht, ich war lange eifersüchtig auf dich. Aber du irrst dich auch; du verstehst nicht, was für einen großen Platz du in Bilals Herzen einnimmst. Und genau deswegen schulde ich dir Respekt und Freundschaft, also lass uns noch einmal von vorne beginnen.« Er verbeugte sich tief vor ihr und legte eine Hand auf sein Herz. »Willkommen, Khalidah bint Abd al-Aziz al-Hassani. Maslahmah Abd al-Rahman Salim ibn Yusuf al-Ayyubi, dein ergebener Diener.«
Khalidah erwiderte das Lächeln und verneigte sich ebenfalls. »Deine Dienerin, Hoheit.«
»Vielen Dank. Und ab jetzt werden wir auf diese lächerlichen Formen der Etikette verzichten, schlage ich vor. Rauchst du?« Er zog eine banj-Pfeife aus der Tasche seines Gewandes.
Khalidah schluckte hart, dann sah sie Bilal an, und beide brachen in Gelächter aus. Salim runzelte verwirrt die Stirn, woraufhin Bilal erklärte: »Khalidah und ich sind auf eine etwas unangenehme Art zum ersten Mal mit Haschisch in Berührung gekommen … und wie es aussieht, hat auch die Zeit im Osten nicht dazu beigetragen, etwas an diesem ersten Eindruck zu ändern.«
Salim zuckte die Achseln, zündete die Pfeife an einer Lampe an und nahm einen tiefen Zug. »Dann Wein? Ich hörte, in Khorasan trinkt man ihn wie Wasser.«
»Tee«, entgegnete Khalidah fest.
Salim nickte, steckte den Kopf ins Freie und befahl einem Diener, Erfrischungen zu bringen, dann setzte er sich neben Bilal. »Eines verstehe ich nicht«, sagte Bilal zu ihm. »Woher wusstest du, wer sie ist?«
»Ich wüsste nur zwei Frauen, mit denen du so ungezwungen und vertraulich plaudern würdest«, gab Salim zurück. »Khalidah al-Hassani und deine Mutter Zeyneb. Da sie für Letztere eindeutig zu jung ist, war es nicht schwer zu erraten, wen ich da vor mir habe. Du solltest sie lieber fragen, woher sie mich kennt.«
»Ich habe dich gesehen«, entgegnete Khalidah. »Zweimal, um genau zu sein - vor kurzem noch in einer Vision, in der du mit Bilal neben einem blühenden Granatapfelbusch an einem Fluss gesessen hast.«
»Tal Ashtara«, murmelte Salim.
»Da habe ich auch erfahren, wie du heißt - ein betaan, ein Schamane der Dschinn, sagte mir, wer du bist.«
Statt zu fragen, woher der betaan das gewusst haben konnte - womit sie eigentlich gerechnet hatte - erkundigte sich Salim: »Und das erste Mal?«
»Da bist du mir in einem Traum begegnet«, erwiderte Khalidah langsam. »In einem Alptraum … in der Nacht, als wir nach Qaf kamen. Ich sah eine Schlacht, in deren Verlauf du einen Tempelritter getötet hast. Inzwischen weiß ich, dass es die Schlacht von Cresson gewesen sein muss.«
Salims Gesicht umwölkte sich. »Der schwärzeste Tag meines Lebens … und meine schwärzeste Tat.«
»Mir kam es eher wie ein Gnadenakt vor«, widersprach sie.
Salim erwiderte nichts darauf, sondern betrachtete nur stumm seine in seinem Schoß liegende Hand, während Bilals Blick voller Sorge auf ihm ruhte. Einmal mehr überlegte Khalidah, was für eine Bedeutung der Traum wohl gehabt haben mochte, aber jetzt war nicht
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