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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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zurückkommen und das Kreuz verteidigen, doch sie hören nicht auf sie!«
    »So?«, erwiderte Guy matt. »Und was geben sie als Grund für ihren Ungehorsam an?«
    Der Knappe zuckte hilflos die Achseln. »Dass sie vor Durst sterben.«
    Guy lächelte bitter. »Und sie meinen, auf dem nördlichen Horn wird der Tod sie verschonen? Aber gut, ich komme gleich.«
    Als der König ins Freie trat, stellte er fest, dass der Rest der Kavallerie verzweifelt versuchte, die näher rückenden Muslime von seinem Zelt fernzuhalten. Die anderen Männer kämpften, wie es aussah, nur noch um ihr nacktes Leben. Als Guy gen Osten blickte, sah er die Hörner von Hattin: das größere südliche mit der flachen Kuppe lag leer und verlassen da, das nördliche war schwarz von den Soldaten seiner eigenen Infanterie. Guy fühlte sich an eine Rose erinnert, die er einmal daheim im Garten seiner Mutter gesehen hatte. Sie war so stark von Blattläusen befallen gewesen, dass man ihre ursprüngliche Farbe nicht mehr erkennen konnte.
    Er wandte sich zu dem Knappen. »Wie heißt du, mein Junge?«
    »Ernoul«, erwiderte der junge Mann.
    »Ernoul«, wiederholte der König. »Der Name kommt mir bekannt vor.«    »Gut möglich, Sire. Wir sind uns schon begegnet. Ich bin der Knappe von Balian d’Ibelin.«
    Guy hob die Brauen. Ein Ritter, der seinen Helm verloren hatte und aus dessen Schläfe ein Pfeil ragte, stolperte an ihnen vorbei, brach zusammen und starb. »Warum bist du dann hier und nicht bei deinem Herrn?«
    »Weil sonst niemand da war, um Euch die Nachricht zu überbringen, Sire.«
    Guy nickte, als sei all dies nur nebensächlich. »Was würdest du denn jetzt tun, Ernoul?«
    »Sire?«
    »Was würdest du tun, wenn du an meiner Stelle wärst?«
    Ernoul ließ den Blick über das Chaos schweifen; die dezimierten fränkischen Truppen und die sie umringende, vor Waffen starrende Sarazenenarmee. »Nun, Sire«, seufzte er, »viel kann man hier gar nicht mehr tun … außer vielleicht der Infanterie auf die Hörner folgen und hoffen, dass die Soldaten sich dann wieder an ihre Pflicht erinnern.«
    »Gut, écuyer«, gab Guy zurück. »Dann gib das bekannt.«
    »Sire?«
    »Geh und richte der Nachhut aus, dass wir auf den Hörnern Position beziehen.«
    Ernoul starrte ihn verblüfft an, dann wandte er sich ab, um den Befehl des Königs auszuführen.
     Khalidah war für die unverhoffte Atempause im Kampfgeschehen dankbar, obwohl sie nicht sofort begriff, worin der Grund dafür lag. Es war Abi Gul, die die Lage als Erste durchschaute.
    »Seht nur!« Sie strich ihre Zöpfe über die Schultern zurück. »Sie haben das Zelt des Königs jetzt auf den Hörnern errichtet!«
    Khalidah beobachtete, wie sich das rote Tuch im Wind bauschte und dann festgezurrt wurde. »Die Armee folgt der Infanterie«, stellte  sie fest. »Aber wir werden sie umzingeln, und das wird dann, so Allah es will, das Ende sein.«
    Ein paar Minuten lang verfolgten sie, wie das, was von der fränkischen Armee übrig geblieben war, auf dem flachgipfeligen südlichen Horn aufmarschierte. Dann ritt ihr befehlshabender amir auf sie zu und gab die Order, auf die sie alle warteten.
    »Umringt die Hörner! Schwärmt aus!«
    Die drei Frauen wendeten ihre Pferde, um dem Rest ihrer Division zu folgen. Die Franken kamen nur langsam voran, und die Muslime machten sich das sofort zunutze und verstrickten sie so oft wie möglich in kleinere Gemenge, was sie zusätzlich aufhielt. Die Dschinn ritten am Ende der Division, was ihnen vor dem Kampf eine kleine Pause bescherte. Plötzlich brach Sandara, die die Franken eine Zeit lang scharf beobachtet hatte, ihr Schweigen.
    »Was hat es mit dem goldenen Kreuz auf sich?«
    Khalidah folgte ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen. Nicht weit von ihnen wippte inmitten einer Schar Franken ein von Bannern umringtes goldenes Kreuz auf einem langen Stab. Obwohl es den Gegner schon während der gesamten Schlacht begleitete, hatte Khalidah es bislang nicht bewusst zur Kenntnis genommen.
    »Das ist die Reliquie, die einen Splitter des Kreuzes enthält, an dem Jesus Christus gestorben ist. Zumindest glauben die Franken das.«
    Sandara nickte. Obwohl sie selbst unter ihrem Helm ihren schwarzen Schleier trug, schloss Khalidah aus ihrem leicht geneigten Kopf und den schweren Atemzügen, dass sie irgendetwas im Schilde führte. »Demnach ist ihnen dieses Kreuz heilig?«
    »Heiliger als irgendetwas sonst auf der Welt«, erwiderte Khalidah bedächtig, denn sie erkannte jetzt, worauf

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