Wuestentochter
Mailly duckte sich hindurch, Bilal trottete ihm hinterher. Der Ritter blieb stehen und musterte ihn eindringlich.
»Vergiss nicht, dass du hier den Templerorden repräsentierst«, mahnte er.
Wenn du wüsstest, dachte Bilal, erwiderte aber nichts darauf, sondern starrte nur auf seine Füße hinab, während sich de Mailly an einen der Ritter wandte und so schnell auf Französisch auf ihn einsprach, dass Bilal ihm nicht folgen konnte.
»Oui, Messire«, antwortete der Mann, als de Mailly geendet hatte.
De Mailly sah Bilal mit einem Anflug von Mitleid und einem flüchtigen Lächeln an. »Das ist Thibaut«, sagte er auf Arabisch. »Er wird dir helfen, dich hier einzugewöhnen.«
»Sehe ich Euch wieder?«, fragte Bilal, bemüht, so sachlich wie möglich zu klingen.
Wieder das mitfühlende Lächeln. »Ich werde tun, was ich kann.«
Thibaut, der junge Ritter, musterte Bilal, als de Mailly im Bergfried verschwand. Dann sagte er etwas auf Französisch, worauf Bilal nur mit einem Achselzucken antwortete. De Ridefort hatte ihm, bevor er Kerak verlassen hatte, geraten, den Eindruck zu erwecken, als beherrsche er die Sprache nur mangelhaft.
Thibaut versuchte es erneut in gebrochenem Arabisch. »Du Keraks neuer informateur?« Bilal schwieg und starrte den Mann nur an. Nach einem Moment zuckte der Franke die Achseln und wandte sich in Richtung der Treppe. »Komm. Ich zeigen, wo schlafen.«
Er durchquerte den staubigen Hof, dabei rasselte und klirrte seine Rüstung wie eine Feldküche zur Mittagszeit. Seufzend folgte Bilal dem jungen Mann zu einem baufälligen Holzgebäude an der gegenüberliegenden Mauer. Sein Herz wurde mit jedem Schritt schwerer. Er betrat einen dunklen Raum, der nach ungewaschenem Bettzeug und vergessenen Nachttöpfen stank. Die langen Reihen schmaler Pritschen waren leer, doch der saure Schweißgeruch der Bewohner hing noch in der Luft. Thibaut schien seine Arabischkenntnisse erschöpft zu haben und überschüttete Bilal mit einem französischen Wortschwall, dem dieser entnahm, dass er ihm eine freie Pritsche zuwies. Er nickte und sagte: »Merci«, konnte sich aber kein Lächeln abringen.
Der Ritter musterte ihn einen Moment lang kalt, dann sagte er: »Ich hoffe, es ergeht dir hier jämmerlich, du schmieriger kleiner Ungläubiger. Ich würde mein Pferd dafür geben, wenn ich wüsste, wessen Bastard du bist.«
Bilal konnte nicht anders, er musste grinsen. »Das würde dich mehr als nur dein Pferd kosten«, erwiderte er auf Arabisch. »Und selbst dann würdest du es nicht glauben.«
Der Ritter konnte ihn nicht verstanden haben, schien aber zu befürchten, dass Bilal ihn verstanden hatte, denn er zog sich rasch zurück und ließ Bilal allein.
Bilal legte sich auf die klumpige Strohmatratze und dachte über die Launen der Liebe nach. Er fragte sich, ob sie je hielt, was sie versprach - die Beispiele in seinem eigenen Leben sprachen eindeutig dagegen. Er zählte sie im Geiste auf; begann mit seinen Eltern, aus denen die Liebe Verräter gemacht hatte. Dann waren da Brekhna und Abd al-Aziz, deren Ehe auf so unerklärliche Weise geendet hatte, und seine eigene erste Liebe Khalidah, was ihn zu einem seltsamen Gedanken führte: dass diese Liebe nie mehr als ein Produkt seiner Einbildung gewesen war.
Wenn Bilal jetzt an Liebe dachte, entstand vor seinem geistigen Auge nur ein einziges Bild - das von Jacques de Mailly. Die Vorstellung, dass sich ein muslimischer Junge in einen christlichen Ritter verliebte, war ebenso lächerlich wie blasphemisch, und doch musste Bilal, wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, zugeben, dass sie moralisch und philosophisch betrachtet auch nicht verwerflicher war als seine anderen Beispiele.
Informateur. Dem Wort haftete ein unangenehmer Beigeschmack an, und Bilal fand bald heraus, dass die Wirklichkeit noch viel unangenehmer war. Bei den Männern, mit denen er die stinkende Baracke teilte, handelte es sich um gewöhnliche Fußsoldaten, die allgemein ebenso verabscheut wurden wie ihre muslimischen Gegenstücke. De Mailly war am Tag, nachdem er Bilal abgeliefert hatte, nach Kerak zurückgekehrt, und wenn die anderen Ritter ihn überhaupt eines Blickes würdigten, dann glichen ihre Mienen denen der Diener, die morgens die Nachttöpfe leerten.
So glich Bilals Leben fast einem Leben im Exil. Am Morgen nahm er an den Übungen der Infanterie teil, obwohl Numair ihm gesagt hatte, er würde mit der leichten Kavallerie reiten, wenn sie sich der Armee des Sultans anschlossen. Er
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