Wuestentochter
der Armee des Sultans anzuschließen. Ich hatte schon früher daran gedacht, den Stamm zu verlassen, und als Numair dann sagte, er würde gen Norden ziehen … nun, da habe ich mich entschlossen, ihn zu begleiten.«
Diese Erklärung klang sogar in seinen eigenen Ohren an den Haaren herbeigezogen, doch als er zu Salim hinüberschielte, nickte dieser nur zustimmend. »Das ist alles sehr interessant - ich hatte ja keine Ahnung, dass Beduinenpolitik so kompliziert ist -, aber was ich vor allem wissen will, ist, ob diese Frau, diese Khalidah, deine Geliebte war.«
Bilal starrte ihn einen Moment lang an, dann brach er in Gelächter aus - sowohl vor Erleichterung als auch wegen der Absurdität dieser Vorstellung. »Khalidah war meine beste Freundin, fast wie eine Schwester für mich, wir waren ja gleichaltrig und sind zusammen aufgewachsen. Und was die Liebe betrifft …« Er schüttelte den Kopf.
»Was denn? Ist sie so hässlich?«
Wieder musste Bilal lachen. »Nein, ganz und gar nicht. Aber sie war die Tochter des Scheichs und ich nur ein einfacher Junge aus dem Volk.«
»Du bist keineswegs nur ein einfacher Junge aus dem Volk«, widersprach Salim. »Außerdem ist sie mit einem Spielmann davongelaufen. Klassendünkel kann also bei der Wahl ihrer Männer keine Rolle gespielt haben.« Bilal zuckte nur die Achseln, und nach einem Moment fuhr Salim fort: »Wir haben es also mit einer willensstarken, alles andere als hässlichen Wüstenprinzessin mit einer wilden Khorasani-Mutter zu tun … vermutlich kann sie reiten wie der Wind, kämpfen wie ein Krieger und sieht auch noch reizvoll aus, wenn sie mit Schweiß und Staub verklebt ist …«
»Oft trifft alles drei gleichzeitig zu.« Bilal grinste.
Salim verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Du hast sie geliebt, gib es zu.«
»Ja, ich habe sie geliebt.« Bilal wurde plötzlich ernst. »Aber nicht so, wie du meinst. Ich habe sie als Freundin geliebt - so wie ein einsames Kind ein anderes liebt. Wir waren beide Außenseiter unseres Stammes, sie wegen des fremdländischen Blutes ihrer Mutter, und ich … nun, aus anderen Gründen. Trotzdem gab es einmal eine Zeit, da glaubte ich, mehr von ihr zu wollen als nur Freundschaft …«
»Aber?«
»Sie wollte mich nicht.« Bilal blickte schüchtern zu Salim auf. »Und jetzt bin ich froh darüber. Jetzt weiß ich, dass sie nie wirklich in meinem Herzen gelebt hat.«
Salim zwinkerte, dann spielte ein erfreutes Lächeln um seine Lippen, und er berührte sacht Bilals Wange. Dadurch ermutigt wagte Bilal, ihm eine Frage zu stellen, die ihn schon seit langem beschäftigte. »Und wie steht es mit dir, Salim? Hat es vor mir andere gegeben … andere, mit denen du …« Er deutete viel sagend auf ihr zerwühltes Bett.
Salim bedachte ihn mit einem verschmitzten Lächeln. »Wer hätte gedacht, dass unser stoischer Nomade eifersüchtig sein könnte?« Als Bilal die Stirn runzelte, lenkte er ein: »Es gab Mädchen wie deine Khalidah - und ein paar Jungen - von denen ich dachte, ich würde sie lieben und sie seien für mich unerreichbar, und es gab andere, die erreichbar waren und die ich nicht geliebt habe.« Er hielt inne, dann sagte er: »Ich mag zwar nicht mehr unberührt gewesen sein, als ich dich kennen lernte, Bilal, aber alles, was vor dir war, geschah nur zur Befriedigung körperlicher Lust. Du allein bist das Herz meines Herzens.«
Die Worte und die darin enthaltene Herausforderung, sich über alle Schranken hinwegzusetzen, die dieser Liebe gesetzt waren, jagten Bilal einen Schauer über den Rücken. Salim, der glaubte, er würde frieren, schlang die Arme um ihn, und Bilal schloss die Augen, vergrub die Finger in Salims Haar und wünschte sich einmal mehr, Liebe könnte Bedrohungen ebenso mühelos auslöschen wie die Kälte einer Wüstennacht.
»Jetzt sind wir schon eine geschlagene Woche hier.« Saladin füllte erst Bilals, dann Salims und schließlich sein eigenes Glas mit Tee. »Und alles ist so ruhig wie in einem fränkischen Kloster.«
Er verstummte und verfolgte das morgendliche geschäftige Treiben im Lager mit schmalen Augen. Die Zeltklappe war hochgerollt, und das Sonnenlicht ließ den Rubin an seinem Turban und die Goldstickerei glitzern, mit der sein rotes Gewand verziert war. Bilal fragte sich, warum er sich hier - mehr oder weniger mitten im Nirgendwo - wie ein König kleidete, obwohl er im weit höfischeren Ras al-Mai betont schlichte Gewänder bevorzugt hatte. Aber er hatte es aufgegeben, die Motive
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