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Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!

Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!

Titel: Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wieder!» Stüssi-Lauterburg bezeichnet diesen ungewöhnlichen Vorgang als ein «absolutes Phänomen». Typisch Ogi halt: «Er ist ein selbständiger, unbestechlicher, grosszügiger Mensch.»
    Kurz entschlossen nimmt Adolf Ogi den österreichischen Bundespräsidenten an der Hand und führt ihn zum deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau.
    Es ist nicht das erste Mal, dass Dölf Ogi in diesem verworrenen Konflikt unter europäischen Brüdern und Schwestern vermittelt. Schon im Juli telefoniert Bundespräsident Thomas Klestil Hilfe suchend nach Bern. Der neue EU-Ratspräsident Jacques Chirac weigere sich, den traditionellen Antrittsbesuch in Wien zu machen. Wegen der «Sanktionen» … Die EU hat schliesslich beschlossen, die offiziellen Kontakte zur österreichischen Regierung auf ein absolutes Mindestmass zu reduzieren. Und Jacques Chirac ist nun einmal eine der Triebfedern für diese «Sanktionen» gewesen. Ogi ruft daraufhin im Elysée an und bittet den französischen Staatspräsidenten inständig, trotz allem nach Wien zu gehen. Chirac ist mit einem Kompromiss einverstanden. Er absolviert seinen Antrittsbesuch als EU-Ratspräsident nur auf dem Flughafen Schwechat. In die Stadt zu fahren weigert er sich weiterhin.
    Ebenso eindrücklich ist das Eingreifen des Adolf Ogi während des Staatsbesuches des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin vom 25. März 1999 in Bern. Eine heisse Sache. Der Besuch steht von Anfang an unter einem unglücklichen Stern. Sie ist schon oft beschrieben worden, aber zu Ende erzählt worden ist die Geschichte bisher noch nicht.
    Alles ist auf der Kippe: Wenn Jiang Zemin jetzt davonläuft, gibt es negative Schlagzeilen über die Schweiz in der ganzen Welt.
    Ruth Dreifuss ist als Bundespräsidentin Gastgeberin des mächtigen Mannes aus China. Und sie macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube und stellt ihre ethische Gesinnung während des ganzen Tages deutlich dar. Schon auf der Bahnfahrt von Genf nach Bern habe sie dem Chinesen im Salonwagen die Ohren vollgeredet über die Menschenrechtssituation in China, erinnert sich Ogi, den übrigens eine enge Freundschaft mit seiner früheren Bundesratskollegin verbindet. Heute noch, weit über die gemeinsame Amtszeit hinaus. Er hätte dem Gast aus China lieber die prächtige Schweizer Landschaft beim Vorbeifahren gezeigt. Das wäre – diplomatisch gesehen – wohl besser gewesen.
    In Bern angekommen, stehen plötzlich Demonstranten auf den Dächern am Bundesplatz! Auch das noch. Jiang Zemin «trötzelt» im Hotel Bellevue und will am frühen Nachmittag erst zum Empfang mit militärischen Ehren auf dem Bundesplatz erscheinen, wenn die Demonstranten vom Dach sind. «Lassen Sie sie doch von der Polizei von den Dächern holen», habe er Ruth Dreifuss geraten. Doch die Bundespräsidentin weigert sich: «Nein, das kann ich nicht. Dann stürzt noch einer vom Dach.»

    Irgendwann erscheint der chinesische Tross dann doch noch vor dem Bundeshaus, wo der Schweizer Bundesrat sich die Beine in den Bauch steht – samt Lebens- und Ehepartnern. Jiang Zemin stürmt zornig, die Ehrenkompanie links liegen lassend, direkt ins Bundeshaus. In seiner Rede in der Wandelhalle macht Jiang Zemin seinem Ärger über die «schlechte Gastgeberin» erst mal Luft: « Madam President, you are not able to gouvern the country! – Frau Präsidentin, Sie sind nicht fähig, das Land zu regieren!» Anschliessend staucht er den Schweizer Justizminister Arnold Koller während des Apéro zusammen: «Was, Sie sind der verantwortliche Minister? Sie hätte ich auf der Stelle entlassen!»
    Ogi soll den Chinesen beruhigen: In einem einstündigen Gespräch über Sicherheitspolitik kommt der immer noch vor Wut kochende Chinese etwas zur Ruhe. Das Schlimmste scheint vorbei zu sein. Irrtum. Am Abend nimmt das Verhängnis seinen weiteren Lauf. Peinlicherweise führt der Schweizer Protokollchef den hohen Gast im Berner Rathaus zuerst an den falschen Platz. Man muss zurück und auf die andere Seite der Ehrentafel wechseln. Als dann Ruth Dreifuss in ihrer Tischrede schon wieder das Thema Menschenrechte anspricht, «verjagt» es den chinesischen Staatspräsidenten endgültig: « I am going! – Ich gehe!», entfährt es ihm wutentbrannt. Er will aufstehen und gehen. Ogi sitzt als Vize-Präsident des Bundesrates neben ihm. Da packt der Schweizer Bundesrat den chinesischen Staatspräsidenten entschlossen mit beiden Händen am Arm und erklärt mit autoritärer Stimme: « You are not leaving! – Sie gehen

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