Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
einen NATO-General berühren dürfen.» Blocher sagt das während einer Brandrede in Bern, abweichend vom vorbereiteten Redetext. Der Stratege spürt: Da ist Gefahr im Verzug. Bei seiner ausgeprägten Sonderfall-Politik der Schweiz kommt ihm der öffnende Ogi in die Quere. «Der Spiegel» schreibt schliesslich: «Der Rechtspopulist Christoph Blocher will seine Heimat wieder in eine Alpenfestung verwandeln.»
Es war und ist auch immer eine weltoffene Politik – er nutzt jedes Zeitfenster für einen weiteren Schritt in Richtung Offenheit.
Doch Adolf Ogi lässt sich nicht vom Weg abbringen.
Und so führt ihn dieser im Oktober 2000 nach Spanien. Und zwar in die Kathedrale von Toledo, besser gesagt in die Sakristei der mächtigen, fünfschiffigen Kathedrale. Der spanische König Juan Carlos hat zur Eröffnung einer besonderen Ausstellung geladen. Sie ist dem spanischen König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Karl V., gewidmet. Man feiert mit der Ausstellung den 500. Geburtstag von Carolus, der am 25. November 1500 im belgischen Gent geboren wurde.
Eingeladen sind, wie die «Neue Zürcher Zeitung» am 6. Oktober 2000 ausführlich berichtet, «gekrönte und ungekrönte Vertreter von elf europäischen Staaten, die einst freiwillig oder unfreiwillig mit der Habsburger Dynastie verbunden waren». Karl V. war Habsburger. Und unter dem Titel «unfreiwillige Habsburger» ist wohl die Schweiz eingeladen worden, beziehungsweise deren Vertreter, der Schweizer Bundespräsident Adolf Ogi. Einmal mehr will Juan Carlos seinen Schweizer Freund um sich haben. So mischt sich denn der einfache Eidgenosse Ogi unter die erlauchte Schar: König Albert II. von Belgien, Königin Beatrix der Niederlande, Grossherzog Jean von Luxemburg, Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein. Die Bundespräsidenten Österreichs und Deutschlands, Thomas Klestil und Johannes Rau. Weiter die Staatspräsidenten von Ungarn, Kroatien, der Slowakei und Malta. Und selbstverständlich auch hochrangige Vertreter aus Südamerika. Über Carolus wurde schliesslich das geflügelte Wort ausgesprochen: « El imperio en el que nunca se ponia el Sol. – Das Reich, in dem die Sonne nie untergeht.»
Und weil die Angelegenheit hoch historisch ist, nimmt der Schweizer Bundespräsident den heutigen Chef der Bibliothek am Guisanplatz mit nach Spanien, Jürg Stüssi-Lauterburg. Der Historiker weiss schliesslich alles darüber. Und Stüssi-Lauterburg darf Dölf Ogi bei der kunsthistorischen Führung durch die Sakristei der Kathedrale von Toledo begleiten – in sehr kleinem Kreis. Pro gekröntem und ungekröntem Haupt darf es, da die Platzverhältnisse sehr begrenzt sind, nur eine Begleitperson sein. In der Sakristei der Kathedrale gibt es jedoch viel zu sehen: Unter anderem weltberühmte Werke des spanischen Malers El Greco, den Apostelzyklus und die Entkleidung Christi beispielsweise.
2005 Katrin und Dölf Ogi werden von König Juan Carlos und dessen Cousine Isabel Arburua in den privaten Räumen empfangen.
Einer ist offensichtlich nicht ganz bei der Sache. Jürg Stüssi-Lauterburg erinnert sich noch sehr genau. Plötzlich sei der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil ganz aufgeregt auf Adolf Ogi zugegangen und habe dem Schweizer Amtskollegen förmlich ins Ohr gebrüllt: «Die Deutschen hören nicht auf!»
Zur Erinnerung: Anfang des Jahres 2000 geht im Nachbarland Österreich alles drunter und drüber. Die ÖVP von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist mit der FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider eine Regierungskoalition eingegangen. Alle 14 anderen EU-Mitgliedstaaten schneiden in der Folge das «Haiderland» diplomatisch. Erst als Mitte September drei von Brüssel nach Wien entsandte Weise einen kleinen Freispruch eröffnen, werden die «Sanktionen» gegen Österreich wieder aufgehoben. Aber während der Eröffnung der Carolus-Ausstellung scheint der kleine Freispruch noch nicht ganz gewirkt zu haben. Zumindest nicht bei den Deutschen. Der österreichische Bundespräsident bittet in der Sakristei der Kathedrale von Toledo jedenfalls seinen Schweizer Freund Ogi, etwas zu unternehmen, damit man wieder vernünftig mit Deutschland reden könne.
Und was jetzt geschieht, bleibt für immer in der Erinnerung von Jürg Stüssi-Lauterburg: Bundespräsident Adolf Ogi habe den österreichischen Bundespräsidenten kurz entschlossen an der Hand genommen und zum deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau geführt. Mit der klaren Botschaft: «Findet euch, bitte,
Weitere Kostenlose Bücher