Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
Soldaten «Ruhn», nimmt ihm die Waffe aus der Hand und zerlegt sie vor den Augen des britischen Thronfolgers fachmännisch. Prinz Charles hat schliesslich im Militär gedient, wie es sich für das englische Königshaus geziemt, in den Siebzigerjahren bei der Royal Navy. Heute besitzt er dreimal vier Sterne: Admiral der Royal Navy, General der British Army und Air Chief Marshal der Royal Air Force. Ogi hat es immerhin zum Major gebracht.
Auf dem Weg nach Kandersteg verursacht Dölf beinahe eine Massenkarambolage innerhalb des Begleittrosses, indem er die Staatskarosse während der Fahrt nach Reichenbach unvermittelt anhalten lässt: Er möchte Prinz Charles unbedingt einen einheimischen Bauern und Politiker am Wegrand vorstellen – den Berner alt Nationalrat Fritz Hari. Die Fahrer der Autos im hinteren Teil des Trosses können nur mit grossem fahrerischen Geschick und quietschenden Reifen eine Kollision vermeiden. Obwohl es die ganze Zeit regnet, während Prinz Charles zu Besuch im Berner Oberland weilt, sagt der englische Thronfolger zum Abschied: «Das war die schönste Reise, die ich je machen durfte.» Und fügt, «very british», hinzu: «Ausserhalb des Vereinigten Königreichs.»
Demonstrativ knallt er das wochenlang vorbereitete Manuskript auf den Tisch und legt mit seinem «Français fédéral de Kandersteg» los.
Eine lange und echte Freundschaft verbindet ihn auch mit dem spanischen König. Im Mai 2011 steht der Staatsbesuch des spanischen Königspaars in der Schweiz an. Juan Carlos will seinen Freund Ogi unbedingt sehen. Offensichtlich meint der spanische König, wie so viele andere auch, Adolf Ogi sei immer noch Bundesrat. Ogi muss König Juan Carlos und Königin Sofia höflich darauf aufmerksam machen, dass es hierzulande etwas schwierig zu bewerkstelligen sei, als alt Bundesrat an einem offiziellen Staatsempfang teilzunehmen. Flugs findet der König einen Kompromiss. Ogi mischt sich bei einem Treffen des Königs mit spanischen Emigranten im Lausanner Kongresszentrum Beaulieu einfach unter die Gästeschar. So bleibt die Kirche im Dorf. Der König habe Dölf Ogi herzlich umarmt, halten die anwesenden Medienleute fest, und habe an die unvergesslichen drei Tage erinnert, die man gemeinsam 1993 in Spanien verbracht habe. Mit Politik und später auch einen ganzen Tag lang mit Skifahren in der Sierra Nevada.
Mit CSU-Politiker Heiner Geissler eröffnet Dölf Ogi das UNESCO-Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch. 2009
Schwungvoll empfängt er in Bern Deutschlands Aussenminister und Vizekanzler Joschka Fischer. 2000
2006 Das idyllische Panorama von Kandersteg, Adolf Ogis Heimat.
Und genauso ist auch der ehemalige französische Staatspräsident sofort angetan vom aussergewöhnlichen Schweizer: acques Chirac lädt Ende 2000 die Schweiz zum Nizza-Gipfel zur Erweiterung der EU ein. Das Nachbarland Frankreichs hat schliesslich vor Jahren einmal ein Gesuch zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gestellt … Langes «Werweisen» im Bundesrat, ob man die Einladung überhaupt annehmen soll, doch schliesslich sagt man Ja. Aber zuerst wird in einer gewaltigen interdepartementalen Anstrengung an der Rede gebastelt. Der Text wird sicher zwanzig Mal geändert. Er geht mehrmals hin und her, von Departement zu Departement. Irgendwann ist er ausgebügelt genug, damit ihn dann der Ogi in Nizza wortwörtlich herunterlesen kann.
Alle Staatschefs der 15 alten EU-Länder und die Präsidenten sämtlicher Beitrittskandidaten sitzen in Nizza am runden Tisch – und der Ogi. Jacques Chirac erteilt das Wort dem Bundespräsidenten der Schweiz. Da hört Ogi am Tisch einen sticheln: «Ach, die Schweizer sind dran, die, die immer Ausnahmen wollen.» Es ist EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. Der Italiener ist im Moment gar nicht gut auf die Schweiz zu sprechen. Brüssel wirft ihr vor, dass sie ständig Rosinenpickerei betreibe.
Da sei er «verruckt» geworden, erinnert sich Ogi. Demonstrativ knallt er das wochenlang vorbereitete Manuskript auf den Tisch und legt mit seinem «Français fédéral de Kandersteg» los: Herr Prodi sei der Meinung, die Schweiz wolle immer nur Vorteile herausschinden. «Jetzt erkläre ich Ihnen mal die Geschichte der Schweiz seit 1848. Neutralität. Föderalismus. Freiheit. Direkte Demokratie. Friedliches Zusammenleben mehrerer Kulturen.» Alle hören gebannt zu. Keiner verlässt den runden Tisch.
Nach der eidgenössischen Brandrede meint einer: «Jetzt wissen wir, was wir zu tun haben: Der Schweiz
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