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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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durchzustechen?«
    Sie zuckt noch einmal mit den Schultern.
    Nach Schulschluss, in einem Zustand erhöhter Adrenalinausschüttung, verursacht durch eine Mischung aus böser Ahnung und Furcht, begebe ich mich zur Arbeit. Vielleicht wird Chris mich heute Abend in Ruhe lassen und mich wieder in die traute Woolies-Runde aufnehmen. Vielleicht hat er langsam genug davon. Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben…
    Ich komme zur Arbeit und sehe ihn mit Ed beim Service-Schalter stehen. Er begrüßt mich zivilisiert und lässt mich unbehelligt zum Umkleideraum gelangen. Ich rüste mich den ganzen Abend über für eine erneute Attacke. Nichts dergleichen passiert. Um neun stelle ich das Geschlossen-Schild auf, schließe meine Kasse ab und bringe die Geldkassette zum Büro. Ich bin fast da, als ich Chris über den Lautsprecher höre.
    »Belegschaft, aufgepasst!« Seine Stimme klingt ernst. »Ähm, aufgepasst, Belegschaft. Falls irgendein Angestellter zu Hause über Oberflächen verfügt, die eine Politur gebrauchen könnten – ein Mitglied des Kassenteams stellt Ihnen gern ihre Dienste zur Verfügung. Sie poliert Holz, Plastik, Laminat, Glas, Linoleum, Kacheln, sogar Korkfliesen und verlangt dafür im Gegenzug nur eine Flasche Wein. Sie können ihren Dienst hier bei mir an der Service-Theke buchen. Melden Sie sich einfach bei Chris Harvey.«
    Ich erstarre und umklammere meine Kassenlade, während es mir heiß den Rücken hinaufläuft und mein Hals anfängt zu glühen. Dann mache ich auf dem Absatz kehrt und stürme zur Service-Theke, sodass die Münzen in der Kassenlade bei jedem Schritt klimpern.
    Da steht er und zählt das Geld in seiner Kasse, unschuldig wie ein neugeborenes Lamm. Er blickt hoch und betrachtet mich voller Güte.
    »Du kannst dich nicht selbst buchen, Kleine.«
    »Kannst du endlich damit AUFHÖREN!«
    »Ganz ruhig, Kleine, sonst platzt dir noch ’ne Ader. Es ist doch nur Spaß.«
    »Spaß für wen?«, blaffe ich ihn an.
    Er sieht wieder auf das Bündel Zwanziger in seiner Hand und zählt weiter. Es macht mich wahnsinnig, wie er noch nicht mal auf die Idee kommt, dass er zu weit gegangen sein könnte.
    »Warum? Warum bist du so angefressen wegen dieser Jeremy-Nummer?«
    »Wie ich schon gesagt habe, es ist bloß Spaß. Du nimmst alles so suuuperernst.« Er zieht das U in Super extrem lang, als ob er von meiner pubertären Zickigkeit total genervt sei.
    Ich hole tief Luft und tue etwas sehr Gewagtes.
    »Warum lässt du es nicht an Kathy und Stuart aus, statt an mir? Deshalb bist du doch eigentlich wütend.«
    Es dauert gut zehn Sekunden, bevor er antwortet, leise und zum ersten Mal diese Woche ohne Boshaftigkeit.
    »Weil Mädchen wie Kathy Jungs wie mich zum Frühstück vernaschen. Und Stuart mich wie eine Fliege zerquetschen könnte und würde.«
    Er sieht völlig fertig aus.
    »Oh Chris«, sage ich nachsichtig. »Es tut mir leid, dass es so… gekommen ist. Die hat doch einen Totalknall.«
    Einen Moment lang frage ich mich, ob ich nicht mit Gott einen Handel abschließen könnte, bei dem ich die Arme um Chris lege und sein Schmerz dabei mittels Haut-zu-Haut-Osmose auf mich übergeht, und zwar genau die Menge an Schmerz, die so groß ist wie meine Liebe für ihn. Aber stimmt ja, ich glaub ja gar nicht an Gott.
    »Du weißt, was passiert ist, oder? Stuart hat meine Blumen und das Gedicht als seine Geschenke ausgegeben und Kathy dann im Bett von Biancas Eltern gevögelt.«
    Ich nicke. So was hatte ich mir schon gedacht.
    »Kannst du ihr nicht einfach sagen, dass sie von dir waren?«
    »Nein!«, bricht es aus ihm heraus. »Wenn sie mit so einem Kerl zusammen sein will, renn ich ihr nicht hinterher und erzähl Geschichten über ihn, wie er wirklich ist. Aber er ist ein fieser Dreckskerl. Hat letztes Jahr seine Freundin geschwängert und wollte dann nichts mehr von ihr wissen.«
    »Er hat eine Freundin?«
    »Na ja, jetzt nicht mehr.«
    Zwischen uns scheint ein stillschweigender Waffenstillstand eingekehrt zu sein.
    »Also lässt du mich jetzt in Ruhe mit der –«
    »Hochglanz-Mahagoni-Nummer?«
    Ich knirsche mit den Zähnen. »Ja. Und wirst du aufhören, dich wie ein Arsch aufzuführen?«
    Er grinst: »Nein.«
    »Wichser.«
    »Komm mal wieder runter. So etwas sagt man nicht in deinem Alter. Und außerdem – was könntest du dagegen tun?«
    Ich atme tief aus. »Oberwichser.«
    Aber jetzt kann ich mir ein Lächeln nicht mehr verkneifen.
    »Wenn du dich wieder beruhigt hast«, er klappt entschlossen den Deckel seiner

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