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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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äußern.«
    »Indem du Zettel in ihrem Haus aufhängst?«
    »Es ist auch mein Haus, oder? Und es sind ebenso meine Lungen. Und habe ich schon von dem Asthma erzählt?«
    »Dramatisierst du nicht ein bisschen, Kleine? Vielleicht hättest du ja auch ohne den Rauch Asthma?«
    »Wart nur mal ab, wie dramatisch es erst wird, wenn beide Krebs kriegen. Du hast gefragt, was ich hasse – das ist etwas, was ich wirklich hasse.«
    »Sonst noch was?«
    »Ich hasse es, wie Pip immer noch denkt, dass Estella ihn heimlich liebt und eines Tages alles gut sein wird. Wird es aber nicht.«
    »Liest du immer noch G. E.?«
    »Ich bin zu drei Viertel durch. Pip sollte langsam mal erwachsen werden. Da wird doch nie was draus. Er hält einfach weiter an dem Glauben fest, dass sie wegen der widerlichen Umstände nicht zusammenkommen können und weil Estella behauptet, sie würde es Miss Havisham schuldig sein und müsse ihre Pflicht erfüllen. Deshalb kann sie nicht mit Pip zusammen sein, bla, bla, bla. Wobei doch der wahre Grund schlicht und ergreifend ist, dass sie ihn nicht liebt. Außerdem ist sie eine Schlampe, die ihn gar nicht verdient hat, im Gegensatz zu Biddy! Das ist eine klasse Frau! Doch Pip bemerkt sie noch nicht mal. Die Biddys dieser Welt kriegen nie einen ab.« Ich mache eine Pause, um Luft zu holen.
    »Mach dir keine Sorgen um Biddy. Am Ende geht es ihr gut.«
    »Nicht das Ende verraten!«
    »Du springst aber ziemlich hart mit Pip um. Denkst du, er kann einfach so mir nichts dir nichts beschließen, Estella nicht mehr zu lieben? Er muss sich bloß dafür entscheiden?«
    »Ich weiß nicht. Ich denke, manchmal…«, ich sehe ihm direkt in die Augen, »liegt es nicht in unserer Hand.«
    »Ja. Ich wünschte –«, er wendet seinen Blick ab, »wir könnten so einfach beschließen, damit aufzuhören.«
    »Kommst dir ein bisschen wie Pip vor, was?«
    »Vielleicht.«
    »Wegen Kathy?«
    »Nee, Kathy ist nur das Mittel zum Zweck.«
    »Und ich dachte, du magst sie wirklich.«
    »Tue ich auch … tat ich auch. Lange war das so. Irgendwie. Aber der Knackpunkt ist, dass ich im Prinzip Ablenkung suche von… na ja, dem eigentlichen Problem.«
    Nach ein paar Schlucken schmeckt das Bier gar nicht mehr so schlecht. Ich nehme einen kräftigen Zug, bevor ich nach dem eigentlichen Problem frage.
    »Das eigentliche Problem ist, dass ich in jemand anderes verliebt bin. Wahre Liebe, nicht nur so eine Schwärmerei, die dafür sorgt, dass die Schicht schneller rumgeht und meine Sucht nach Leiden genährt wird.«
    Also ich hatte mir ja schon von Anfang an gedacht, dass ich bei Chris keine Chance haben würde, weil er a)zu alt ist, b) sich niemals ernsthaft für mich interessieren würde, c) total idiotisch auf die oberflächliche Kathy von der Arbeit abfährt. Und jetzt kommt noch dazu, dass er d) in Wirklichkeit verliebt ist in… ja, in wen denn eigentlich? Er hat es gar nicht gesagt, in wen. In mich etwa? Vielleicht traut er sich nur nicht, es mir zu sagen, weil… weil er sich Sorgen macht, dass mein Vater ihn erschießen könnte oder so was. Ich beuge mich vor und erkundige mich, ganz lässig, wie ich hoffe:
    »Wahre Liebe?«
    »Mach dich bloß nicht über mich lustig.«
    »Ich mach mich nicht lustig. Warum bist du dann nicht mit ihr zusammen?«
    »Ich war mit ihr zusammen. Aber bin es nicht mehr.« Wieder wirkt Chris wie am Boden zerstört; das hat er wirklich drauf. Er sieht in sein Glas und dann über meine Schulter hinweg in die Ferne, schluckt dabei schwer. Schwermütiges Grübeln ist echt sein Ding.
    »Wie auch immer, Kleine«, sagt er dann. »Um auf eben zurückzukommen, du meinst also, dass Pip verdammt noch mal endlich erwachsen werden und die Dinge so nehmen sollte, wie sie sind.«
    »Ja, irgendwie schon.«
    »Das hat Gatsby doch gemacht, stimmt’s? Zu guter Letzt ist er erwachsen geworden, hat erkannt, dass alles, worauf er gesetzt hatte, für die Katz war. Dass alles umsonst war, trotz all seiner ausgeklügelten Unternehmungen, um zu dem Mann zu werden, mit dem Daisy zusammenkommen würde. Und trotz all seiner Besessenheit hat das Objekt seiner Begierde Tom Dumpfbacke geheiratet, ohne erkennbare Absicht, ihn jemals wieder verlassen zu wollen. Und was macht er da? Er bringt sich um. Also ist es vielleicht ganz gut, dass Pip diese Wunschvorstellung in seinem Kopf weiter am Leben hält. Selbst unerwiderte Liebe kann besser sein als die brutale Realität. Er weiß wahrscheinlich eh nicht, wer er eigentlich ist, ohne seine

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