Wunder wie diese
ihr zusammen auf der Couch gesessen und ferngesehen, bis alle anderen Mitbewohner ins Bett gegangen sind? Vielleicht habt ihr’s euch zusammen auf der Couch gemütlich gemacht, bis die Sendung zu Ende war. Während des Abspanns zog er dich zu sich heran und küsste deine perfekten, zarten Lippen. Vielleicht hat er dann mit der Fernbedienung über deine Schulter hinweg ausgeschaltet. Ihr seid eng umschlungen nach oben in sein Zimmer. Hat er dich auf dem Bett liegend ausgezogen und dir bei jedem Kleidungsstück geholfen? Ein mühsamer, aber genussvoller Prozess. Oder war es vielleicht zu kalt dazu und ihr habt eure Klamotten hastig im Stehen abgestreift und auf den Boden geworfen und euch dann schnell unter der Decke verkrochen? Nein, wirklich, Michaela, mir kannst du es ruhig erzählen, wir sind doch alle Freunde hier. Lass bloß nichts aus. Betrachte mich einfach als eine deiner Freundinnen. Was ich so gemacht habe? Also, mal überlegen, ich bin hier und da gewesen. An der Uni, bei der Arbeit, hab’s mir zuckend wie ein Fisch an Land selbst besorgt, bin in dem Vakuum, das du hinterlassen hast, erstickt, träume halb wach davon, wie wir uns drei Tage am Stück geliebt haben, spinne mir zusammen, wie deine Lippen gerade meinen Hals küssen… Das Übliche eben.
Richtig dreckig. Es fällt mir schwer, den Kuli zu halten. Und ich weine.
Michaela. Es kostet mich jede Menge von dem, was ich einst als meine Männlichkeit betrachtet habe, um das zu sagen, aber dein Vergnügen war mir stets mehr Vergnügen als mein eigenes. Verdammt, wenn mir noch vor einem Jahr jemand hätte erzählen wollen, dass Sex mehr sein kann als die erbarmungslose Suche nach jemandem, der einem Erleichterung verschafft, hätte ich ihn lauthals ausgelacht, ganz gleich in welcher durchgehend geöffneten Spelunke man mich gerade angetroffen hätte. Und dann kommst du daher, mit deiner makellosen Haut, deinen Schultern voller Sommersprossen, deinem wunderbaren Lachen und zerrüttest mit einem Schlag mein gesamtes Leben. Die Unwissenheit hat mir besser gefallen.
Du hast geredet wie ich.
Du hast meine Witze verstanden.
Du hast mich verstanden.
Du hast mich kopflos gevögelt.
Dann bist du gegangen.
Die Schatten in deinem Gesicht beben im Schein
der Kerze, die wir in Leura gekauft haben.
Ich sehe sie jeden Tag.
Also ruf mich nicht aus dem Haus deines Freunds von der anderen Seite des Kontinents an, fast platzend vor Zufriedenheit, weil es dir da drüben so unendlich gut geht, und frag mich nicht, ob wir Freunde sein wollen. Du hast die Entscheidung getroffen. Punkt. Aus. Ich will deine Freundschaft nicht. Ich will nur dich, mit Haut und Haaren. So, wie es an unseren drei Tagen in Leura war. In diesen Nächten war einfach alles gut. Alles.
Meine Hand tut weh.
Ich hau mich jetzt hin.
Michaela.
Wo bist du?
Ich weiß, wo du bist.
Verdammte Scheiße.
23. August
Ach du meine Güte, ganz ruhig, Alter. Lass ruhig alles raus, Chris. Wir wollen doch nicht, dass du den Schmerz in dir behältst. Du Schlappschwanz.
Bitte entschuldigt mein schändliches Benehmen. So viele Kraftausdrücke. Was werden bloß meine Enkel von mir denken?
Wahrscheinlich, dass eine verschlagene Westaustralierin ihrem Opa das immer noch blutende und zuckende Herz herausgerissen hat, was dem, was passiert ist, ziemlich nahekommt.
Gestern Nacht war nur ein vorübergehender Rückfall, ein Ausrutscher, ein kurzes Intermezzo in dem voranschreitenden Prozess des Darüberhinwegkommens. Mir ging’s tatsächlich schon besser, ich hatte mich mit dem Schmerz auseinandergesetzt. Oder ihn zumindest erfolgreich in stetig wachsenden Mengen von Alkohol und Koffein ertränkt. Nachdem ich das, was ich geschrieben habe, noch mal durchgelesen hatte, habe ich ernsthaft in Erwägung gezogen, die Seiten rauszureißen. Es war insgesamt eine ziemlich erbärmliche Darbietung. Aber die Seite, auf dem ich den Songtext von Romeo and Juliet von den Dire Straits zitiert habe, habe ich sofort rausgerissen.
Aber eigentlich habe ich mir vorgenommen, in diesem Tagebuch ehrlicher zu sein als in den vorangegangenen, deshalb bleibt alles andere stehen. Es ist schon schlimm genug, dass ich meiner Familie und Freunden gegenüber nur die überarbeitete Fassung von mir präsentiere, wenn ich jetzt auch noch mein Tagebuch zensiere, wird das nur meine bereits vorherrschende Tendenz zur Feigheit noch verstärken. Lasst uns gar nicht erst davon anfangen.
Nur fürs Protokoll: Sie hat tatsächlich geweint, als wir uns
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