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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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stiegen Wut und Ärger auf und ich fragte mich, warum um alles in der Welt er nicht wenigstens die Essensreste weggeworfen hatte. Wie verdammt noch mal konnte er bloß auf die Idee kommen, dass die Frauen im Haus dafür zuständig waren, seinen Müll wegzuräumen? Ich nahm zwei Stufen auf einmal und klopfte an die Tür seines Arbeitszimmers.
    Nachdem er mich hereingebeten hatte, fragte ich ihn, warum er den Dreck seiner zwei Mahlzeiten nicht weggeräumt hat und weshalb er der Meinung war, ich sollte das für ihn erledigen. Mein Vater geht extrem schnell in die Luft. Seine Wut ist eines der Dinge auf Erden, vor denen ich mich wirklich fürchte. Sie vermittelt mir auf direktem Weg, wie machtlos ich bin. Eine Minute später stand ich in der Küche, warf die Reste weg, spülte das Geschirr, wischte die Krümel vom Tisch, vor Wut über meine Ohnmacht hatte ich Tränen in den Augen. Das ist das Bild von meinem Vater, das bei mir momentan vorherrscht. Zwischen diesem und der Verzweiflung meiner Mutter, was bleibt da?
    Danke, dass du mir zugehört hast. Ich habe das Gefühl, ich könnte dir alles erzählen.
    Amelia
    Ich überlege, ob ich unter meine Unterschrift noch xxx einsetzen soll, entscheide mich dann aber doch dagegen.
    In der achten und letzten Stunde haben wir Mathe, es ist die grausamste Tageszeit dafür. Penny liest meinen Brief Korrektur.
    »Weißt du was?«, sagt sie, als sie ihn mir wiedergibt. »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, über was wir gesprochen haben, bevor du diesen Typ kennengelernt hast.«
    »Hmmm.« Ich stopfe den Brief in meinen Rucksack. Nach Schulschluss ziehe ich meine Arbeitskluft an und hetze mit Penny zur Bushaltestelle. Mein Bus steht schon da.
    »Bis dann«, ruf ich ihr über die Schulter hinweg zu und stürze mich ins Gewimmel. »Gehen wir Samstagabend ins Kino?«
    »Hm. Ich glaube, dieses Wochenende wird da nichts draus. Ich hab was zu tun. Mit der Familie…«
    »Okay.« Zum Abschied winke ich.
    Ich quetsche mich eben noch so in den Bus, um zur Arbeit zu fahren, und bin geschockt, dass männliche Teenager noch immer so penetrant riechen können, obwohl es kälter geworden ist.
    Als ich bei der Arbeit eintreffe, sitzt Chris schon an der Kasse neben meiner.
    »Check it out, everyone!« Er hebt triumphierend die Faust. »Amelia Hayes is in da house!«
    Beflügelt von seinem warmherzigen Empfang, gehe ich – vielleicht stolziere ich sogar – mit ungewohnter Kühnheit zu seiner Kasse hinüber und zieh den Brief aus der Tasche.
    »Sie wünschten einen Brief, Mr Harvey«, sage ich, »und ich habe Ihnen einen gebracht.« Ich schiebe ihn ihm in die Seitentasche seiner schwarzen Cargohose. Holla! Das war ja geradezu Street-Cred-Donna-reif.
    Chris unterbricht das Kassieren einen Moment lang und sieht mich an. Es ist eine ganz besondere, noch nie da gewesene Version seines sonst schon gewinnenden Lächelns. Er kramt ein paar zusammengefaltete gelbe Blätter aus der anderen Hosentasche hervor.
    »Und das ist für Sie, Ms Hayes.« Damit steckt er sie in die Seitentasche meiner schwarzen Cargohose und tätschelt leicht mein Bein.
    Ich gehe die paar Schritte zu meiner Kasse hinüber und nehme dahinter Platz.
    Die gesamte Schicht über bohre ich mit meinem Blick zwei Löcher in seinen Rücken. Etwa um 20 Uhr dreht er sich um und beugt sich nach vorn, um eine heruntergefallene Kartoffel aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtet, zwinkert er mir lächelnd zu.
    Himmel hilf Amelia Joan Hayes, weil sie es selbst nicht kann.

Chris: DAS VIOLETTE NOTIZBUCH
    5. August
    Uhrzeit: 14 Uhr
    Ort: Unibibliothek
    Stunden bei Woolworth: 22
    Uni-Hausarbeiten, die zu recherchieren und zu schreiben sind: 3 (+ 1 Referat vorbereiten)
    Gesundheit: Kopfschmerzen, Verspannungen in den Schultern
    Autos von Christopher John Harvey = mir: null
    Wartezeit an Bushaltestellen diese Woche: 4,2 h
    Statusbericht der Suche nach der perfekten Frau: ergebnislos, aber andauernd
    Erspartes vom Job bei Woolies: 250 $
    Geldausgaben für wahllosen Schnickschnack wie Alkohol, Koffein, Paracetamol, düstere Musik und ein oder zwei hippe Klamotten: der Rest davon.
    Mum und Dad haben mich heute Morgen gefragt, ob ich meinen Einundzwanzigsten feiern will. Hmmm, das würde wahrscheinlich bedeuten, die üblichen Verdächtigen einzuladen und im Garten zu grillen. Ich werde mich garantiert volllaufen lassen, ebenso wie alle anderen, und für die Erziehungsberechtigten wäre es bestimmt äußerst peinlich, mich in einem solchen Zustand erleben zu

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