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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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Flüssigkeit.
    22. September
    Auf mich wartet jede Menge Arbeit für die Uni. Man kann sich davor nur begrenzt drücken – nur so lange, wie es einem dabei gut geht und es einen nicht umhaut. An dem Punkt war ich letztes Jahr um diese Zeit und hab mir geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen.
    Dad war ziemlich sauer auf mich, wenn ich mich recht entsinne. Er hat das anscheinend persönlich genommen. Ich weiß auch nicht, warum. Ich bin schließlich derjenige, der den Studienkredit zurückzahlen muss für die Fächer, in denen ich durchrassle. Ich habe Anfang des Jahres den Vorschlag gemacht, ob er und Mum vielleicht meine Schulden im Voraus zahlen könnten, damit wir den Rabatt kriegen, wie sie es bei Zoe auch getan haben. Ich erinnere mich nicht mehr an die genauen Worte, aber es lief ungefähr darauf hinaus, dass Dad meinte, ob ich mich nicht lieber verpissen wolle.
    Na ja, dann zahl ich den Kredit eben selbst zurück, vorausgesetzt ich finde jemals einen richtigen Job. Vielleicht liegt es in Wirklichkeit daran, dass Dad einfach total enttäuscht ist, dass sein Sohn einen Abschluss in Geisteswissenschaften anstrebt, anstatt sein Diplom in Betriebswirtschaft oder Ingenieurwesen zu machen.
    Ich muss mal an meinem Aufsatz über das stalinistische Russland weiterschreiben. Als ich vor ein paar Tagen von den Säuberungsaktionen gelesen habe, hatten meine Tränendrüsen einen spontanen Überraschungsauftritt und es wurde feucht hinter meinen Augenlidern. Ich kann mir das gar nicht vorstellen und will es auch nicht.
    23 Uhr
Manchmal hab ich das Gefühl, dass Stuart es nur auf Kathy abgesehen hat, weil er weiß, dass ich was von ihr will. So ein leidenschaftsloser Muskelberg: die vollkommene Coolness, ein Kraftprotz mit breiten Schultern. Er könnte gut meine Nemesis sein. Und meine Antithese! Na, wie klingt das?
    Abgang Harvey.
    PS: Meine Schultern sind mickrig.
    PPS: Und ich hab kein Problem damit.
    PPPS: Na ja, fast keins.
    5. Oktober
    Besoffen und völlig erledigt. Ich hatte die 16-bis-21-Uhr-Schicht und habe eine Neue Kleine an der Kasse eingearbeitet. Sie ist eine der interessanteren aus der Horde der Neuen, die sie gerade wieder eingestellt haben. Sie heißt Amelia und ist echt anders, die Kleine. Im Ein-Augenbrauen-Hochziehen hat sie schon jetzt den Fortgeschrittenenstatus erreicht. Sie ist amüsant, hat wilde Ringellocken und einen feurigen Blick. Ich würde ihr mal unterstellen, dass sie vollständige Sätze bilden und lesen kann. Da hege ich glatt die Hoffnung, dass sie die nichtssagende Leere ihrer kettenrauchenden fünfzehnjährigen Kolleginnen »ameliorieren« könnte (Amelia-rieren – klar? nichts geht über selbst gebaute Kalauer, oder?). Sie ist eine gesunde Mischung von Widersprüchen. Humor? Häkchen. Sehr ausgeprägt sogar für ihr Alter. Sie hat noch nicht gelernt, über den eigenen Tellerrand zu sehen und nicht alles auf sich zu beziehen – sie nimmt alles furchtbar ernst. Oh, traute Jugend, wie sehr ich dich nicht vermisse. Sie ist clever und braucht sich nicht zu verstecken. Aber sie hat diese Art, ihre Arme zu verschränken, dabei ihre Ellbogen zu umklammern und nach unten und zur Seite zu sehen, die regelrecht in die Welt hinausschreit: Ich fühle mich unwohl! Vielleicht braucht sie nur einen guten Sensei, einen Meister, der sie anleitet in Hinsicht auf, na ja, die Dinge eben. Vielleicht bin ich der Richtige dafür. Oder vielleicht sollte es mir am Arsch vorbeigehen.
    Ich war nach der Arbeit noch bei Ed. Wir haben den letzten Bus verpasst und sind den ganzen Weg gelaufen, quer durch den Park, und haben uns die Hintern abgefroren. Ein wahrer Traum.
    Kathy führt nach wie vor das Feld an. Und ich überlege, ob ich Lauren aus dem Soziologieseminar von der Liste streiche, nachdem ich sie händchenhaltend mit einem Typen auf dem Campus gesehen habe. Deli-Georgia ist noch immer eine Option und sie wäre wahrscheinlich mehr als bereit. Vielleicht sollte ich sie endlich nageln, nur um mir Ed mit seinen ewigen Sprüchen vom Hals zu schaffen. Wenn er so scharf darauf ist, dass Georgia flachgelegt wird, warum macht er es dann nicht selbst?
    »Es ist Zeit, die Dürre zu beenden, Chris«, hat er heute Abend zu mir gesagt. »Es wird dir guttun.«
    »Ich arbeite dran, dass Kathy mit mir ausgeht«, wandte ich ein.
    Er sah mich mit hochgezogener Braue an – ein Fortgeschrittener, wie Amelia.
    Stimmt schon. Die Chancen, jemals Kathy ins Bett zu kriegen, sind spärlich bis gar nicht vorhanden. Ed

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