Wunder wie diese
meint, er will Deli-Georgia morgen Abend fragen, ob sie nach der Arbeit noch mitkommt.
Abgang Harvey.
Später am Abend
Als wir noch klein waren, hat uns Mum aus einem Buch vorgelesen, das Amelia Bedelia hieß. Die Hauptfigur darin ist ein Hausmädchen, das sich immer wieder Probleme einhandelt, weil sie sehr gegenständlich denkt und alles wortwörtlich nimmt. Sie wird richtig wütend, als sie etwas falsch gemacht hat, und läuft davon. Nein, eigentlich ist es anders, ihr Arbeitgeber wird richtig wütend und schickt sie weg. Nach vielen abenteuerlichen Seelenirrungen kehrt sie dann schließlich wieder zurück. Ihr Dienstherr empfängt sie freudig, seine Wut ist verraucht und er bittet sie, ihm eine Suppe zu kochen.
7. Oktober
Gestern Nacht hab ich einiges zu viel getrunken und Georgia, »die üppige Blonde aus der Deli-Abteilung«, genagelt, bei ihr zu Hause. Die anschließende Unterhaltung war eine eher magere Ausbeute. Ich fragte sie, ob sie Jeff Buckley mag. Sie fragte: »Jeff wer?« Das sagt schon alles.
12. Oktober
Die Termine für die Prüfungen und Abschlussarbeiten hängen aus. Mir bleiben noch sechs Wochen bis zu den Prüfungen. Ich werde übermenschliche Kräfte benötigen, damit ich es schaffe, alle Arbeiten rechtzeitig abzugeben und die Zinsen vom Studienkredit auf durchschnittlichem Niveau zu halten. Ich muss den Abschluss im nächsten Jahr schaffen. Das wird interessant. Im Sommer werde ich so viele Schichten wie möglich bei Woolies reißen, in der Hoffnung, genug zur Seite legen zu können, damit ich dann nächstes Jahr auf zwölf Stunden die Woche runterkann. Dann schaffe ich es vielleicht, ein bisschen mehr Zeit mit Studieren zu verbringen, den Abschluss zu machen und so. Wär schön, wenn das an erster Stelle käme.
O. K., Abschluss machen und dann? Ein viel zu unangenehmes Thema. Einen neuen Absatz, bitte.
Mick, Rohan und Suze warten auf mich in der Uni-Bar. Inzwischen ist es fast dunkel hier draußen auf dem Rasen. Ich geh besser mal los. Ich verstehe mich ganz gut mit zwei von den neuen Neuen auf der Arbeit, zwei, die ihr Wissen über Obst und Gemüse nur meiner harten, aber gerechten Einweisung zu verdanken haben.
Donna ist eine alte Seele und ganz schön reif für ihr Alter. Sie ist fünfzehn, wirkt aber wie fünfunddreißig und kommt aus einem ziemlich kaputten Zuhause. Immer scharf auf einen Drink nach der Arbeit, das ist Donna. Sie ist Biancas neueste Schmusepuppe. Die beiden sind richtig dick miteinander, rauchen zusammen im Hof und alles, was sonst noch dazugehört.
Die andere ist Amelia. Als meine Schwester und ich noch klein waren, hab ich sie manchmal so wütend gemacht, dass sie ein paar Schritte zurückgetreten ist, um dann Anlauf zu nehmen und mit erhobenen Fäusten auf mich loszugehen. Ich habe dann immer bloß den Arm ausgestreckt, die Hand flach auf ihre Stirn gedrückt und sie einfach zappeln lassen. Sie ruderte mit den Armen in der Luft und verfehlte ihr Ziel. Sie tobte so lange weiter, bis Mum von dem Radau aufgeschreckt ankam, uns auseinanderbrachte und mich in mein Zimmer schickte. Wenn ich mich mit Amelia unterhalte, erinnere ich mich irgendwie daran. Sie ist sehr direkt und geradeheraus. Wenn ich genauer nachdenke (ganz untypisch für mich), erkenne ich vielleicht sogar was von mir selbst in ihr. Zoe und ich haben die Rollen vertauscht, seit wir älter geworden sind – inzwischen bin ich meist derjenige, der mit den Armen rudert, während sie gelassen danebensteht.
Okay. Bierzeit.
22. Oktober
Die neue Kleine, Amelia, hat so etwas wie einen Fanklub um sich geschart, der – ich geb’s ja zu – in erster Linie aus mir besteht. Ihre Nähe entspannt mich, weil man bei ihr nicht ständig irgendwelche Vermutungen aufstellen muss, was sie gemeint haben könnte. Ich werde versuchen, sie mit Ed zu verkuppeln. Ihm würde eine Freundin bestimmt guttun, besonders eine, die lesen und schreiben kann, und das kann Amelia, so viel ist sicher.
Das wird voraussichtlich das letzte Mal sein, dass ich was in dieses Buch schreibe bis nach den Prüfungen. Im kommenden Monat werde ich kaum Zeit haben, mich auch nur zu kratzen, so viel hab ich zu tun. Aber darauf folgen drei prächtige Monate Sommerferien, die aus drei wesentlichen Elementen bestehen werden: Strand, dem Land der Träume und Bier. Also bis Dezember dann, vorausgesetzt ich sterbe nicht vorher an Herzversagen durch Koffeinüberdosis, womit ehrlich gesagt durchaus zu rechnen ist. Es ist schon spät. Entschuldigt
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