Wunder wie diese
fest: Sie fängt jetzt mit ihrem Masterstudium in Chemietechnik an und danach darf sie sich Meisterbrauerin nennen. Gibt es was Cooleres als das? Gibt es das?
Ros Cousins und deren Freunde, die hier oben wohnen, wollen auch kommen und wahrscheinlich noch ein paar andere von der Uni. Vielleicht ist Die Perfekte Frau gar nicht mehr weit weg und steht gerade vor ihrem Kleiderschrank, im Bademantel, noch erhitzt von der Dusche, und überlegt, was sie heute Abend anziehen soll. Viel Glück bei der Klamottenwahl, Ms Perfect!
Es ist verdammt heiß, weit über dreißig Grad. Wir haben den Morgen am Nobby’s Beach verbracht, mit Surfen und Frisbeespielen, aber ab elf haben wir uns auf heißen Sohlen davongemacht – buchstäblich heißen Sohlen, denn der Sand war definitiv zu heiß, um barfuß darauf zu laufen.
Ich hör dann mal auf. Will mich noch ein wenig zurücklehnen und die Aussicht genießen und dabei mit dem Daumennagel das Etikett der Bierflasche abkratzen. Ein kleines schwarzes Lotsenboot setzt sich Richtung Tanker in Bewegung. Ein Stück weiter die Straße hinunter steht eine große alte Kathedrale. Ich kann die Türme sehen. Die Glocken läuten gerade.
Fünf Uhr morgens? Im Osten färbt sich der Himmel gerade orange.
Allein, allein und ganz allein
Auf weiter, weiter See.
Nicht lindert meine Todesangst
Ein Heil’ger in der Höh’.
Bitte, lieber Gott, lass mich nicht kotzen.
15. Februar, 23 Uhr
Zu Hause in meinem Zimmer. Heute ist mein erster alkoholfreier Abend seit wer weiß wie lang. Mein Magen hat schon bei der bloßen Erwähnung von Alkohol rebelliert – auweia, ’tschuldige, Magen, ich meinte das A-Wort. Die Stimmung auf der Fahrt zurück nach Sydney war etwas gedämpft. Ich weiß nicht, wer von uns am meisten verkatert war. Wir sahen alle aus wie ausgekotzt. Als ich zum Abendessen nach Hause kam, war Onkel Jeff da und wollte wieder mal anfangen. Wie üblich verkleidete er sein Vorhaben als kumpelhafte Fragen über mein Leben oder das aktuelle öffentliche Geschehen. Onkel Jeff hat etwas an sich, was ich absolut nicht abkann. Seit seiner Scheidung ist es noch schlimmer geworden. Oder vielleicht fiel seine Scheidung auch einfach nur mit dem Zeitpunkt zusammen, an dem ich anfing, eine Persönlichkeit zu entwickeln.
Wie dem auch sei, ich entschuldigte mich damit, dass mir übel sei, und torkelte direkt in mein Zimmer. Paracetamol, Ibuprofen, Aspirin, Ei mit Speck, Tee und Kaffee – nichts hilft gegen den Schmerz an meiner Schädelbasis, den miesen Geschmack im Mund oder die Rebellion meiner inneren Organe.
Ich bin gestern Nacht vielleicht etwas zu weit gegangen, wie die obigen Zeilen, die offensichtlich aus Coleridges Ballade vom alten Seemann stammen, vermuten lassen. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass Die Perfekte Frau nicht auf Rohans Einweihungsparty erschienen ist. Einige von Rohans Kumpels tauchten erst kurz vor Mitternacht auf; sie waren noch auf dem Konzert einer Band in der Uni-Bar gewesen. In meinem Rausch kam dann all das wieder hoch, wofür ich die ganze Zeit mächtig viel Energie aufgebracht hatte, um es zu verdrängen. Nämlich das andere Mal in Newcastle.
Gleich nach den Zwischenprüfungen im letzten Jahr waren Michaela und ich hierhergefahren, um eine ihrer Freundinnen zu besuchen, die dort ein Semester an der Uni studierte. Ein »Perth-Mädchen«. Perth und die Mädchen von dort sind echt so eine Sache für sich. Sie kennen sich anscheinend alle untereinander. Wie ein einziges großes Dorf. Aber ich schweife ab. Wir kamen hierher und wohnten bei ihrer Freundin in diesem riesigen Haus. Studenten-WGs üben auf Menschen wie mich, die zu Hause wohnen müssen, damit sie studieren können, eine ungeheure Faszination aus.
Bernadette, Michaelas Freundin, wohnte mit acht anderen zusammen. Es gab zwei große Wohnzimmer, mit Couchtischen aus Milchkisten und riesengroßen vergilbten Tarantino-Postern an den Wänden. Wir schliefen auf dem Fußboden ihres großen feuchten Zimmers, in dem sich die Tapete von den Wänden löste und ein schäbiger Teppich lag. Am Samstagnachmittag gab es hinten im Garten ein großes Grillfest mit einem Haufen weiterer Studenten. Danach gingen wir in die Uni-Bar, um Augie March zu sehen. Noch drei Wochen, bis Michaela zurück nach Hause musste. Mir graute es vor ihrer bald bevorstehenden Abreise, aber nicht eine Sekunde lang hätte ich gedacht, dass das mit uns vorbei sein würde, wenn sie zurückging. So ziemlich die einzigen Momente, in denen wir uns nicht
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