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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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offensichtlich wollte er auch zum Abendessen bleiben. Er saß mit meinen Eltern unter der Markise hinten im Garten. Auf der Küchenbank standen aufgereiht die leeren Bierflaschen. Oh Mann. Ich habe mich in meinem Zimmer versteckt und vorgegeben, für die Uni büffeln zu müssen. Da kam Mum rein und sagte, ich solle mich mit ihm unterhalten. Es ist SO dermaßen erniedrigend, wenn sie das macht. Ich bin einundzwanzig Jahre alt. Ich darf wählen, mich freiwillig zur Armee melden, in den USA legal Alkohol trinken und wie in einem Jane-Austen-Roman »mein Erbe antreten«. Ich habe einen Hochschulabschluss. Aber ich kann nicht einfach von der Arbeit nach Hause kommen und mich in Ruhe auf mein Bett fallen lassen, wenn ich es will. Das geht nicht. Gott, wie sehr ich mir wünsche auszuziehen. Wenn ich den Abschluss vorzeitig abbrechen würde und Vollzeit bei Woolies arbeitete, könnte ich mich nach einem Monat nach einer eigenen Wohnung umsehen. Der Manager aus der Frischkostabteilung würde mich mit Kusshand einstellen.
    Also bin ich doch runtergegangen und habe mit Onkel Jeff geplaudert, dem fünf Jahre älteren Bruder meines Vaters und seines Zeichens einer der schlimmsten Vertreter der Nachkriegsgeneration. Er macht irgendwas mit Umweltmanagement. Niemand weiß so ganz genau, was er eigentlich macht. Er hat jahrelang beim Amt für Infrastruktur, Planung und Ressourcen gearbeitet. Dann hat er dort aufgehört und ist in »die freie Wirtschaft« gegangen. Früher hat er mit Tante Jo und seinen Kindern in Lane Cove gewohnt. Nach der Scheidung hat er sich eine Wohnung in Rose Bay genommen, wo er immer noch wohnt. Sein unverhohlener Zorn auf mich schließt »meine gesamte Generation« mit ein, was auch immer das bedeuten mag. Ich vermute, dass Onkel Jeff mir derart an den Karren fährt, weil seine eigenen Kinder es vorgezogen haben, bei ihrer Mutter zu bleiben. Heute hat er mir – wie erwartet – vorgehalten, wie apathisch »meine« Generation doch sei und dass sich keiner mehr gegen etwas auflehne.
    »Ja…«, sagte ich. »Also…«
    Meine Mutter warf mir einen flehenden Blick zu. Lass es ihm bitte durchgehen, mein Sohn.
    »Als ich studiert habe«, fuhr Jeff fort, »sind wir auf die Straße gegangen und haben für alles demonstriert, was wichtig war. Wir haben unsere Meinung kundgetan. Wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Wir haben Veränderungen herbeigeführt.« Er hielt einen Moment lang inne, um Luft zu holen, und sah sehr zufrieden mit sich aus.
    »Ihr seid gegen das Vergehen der Zeit auf die Barrikaden gegangen«, fügte ich hilfreich hinzu.
    Meine Mutter wirkte unsicher und Onkel Jeff unschlüssig.
    »Chris, musst du nicht noch eine Hausarbeit für die Uni schreiben?« Mum entließ mich, denn sie wusste genau, dass ich das hier nicht ewig aushielt.
    »Ja.«
    »Na, dann mach dich besser mal wieder an die Arbeit.«
    »Worüber denn?«, fiel Onkel Jeff gleich ein, lauter als nötig und voller Streitlust. »Über das erbärmliche Schwuchteldasein von John-Schwuchtel-Keats?«
    Oh, welch wahre Freude.
    Augen zu und durch, dachte ich in meinem Zimmer, Augen zu und durch, wie im Land der Träume.
    2. April
    Bianca schmeißt eine Party bei sich zu Hause – ihr Zuhause ist eine Villa mit Seeblick in Rose Bay, wohlgemerkt. Ich war schon ein paar Mal da. Man kann von dort aus nach Shark Island rüberschwimmen.
    Es ist an der Zeit, das Schicksal ein wenig herauszufordern und reinen Tisch mit Kathy zu machen. Der Kathy-Virus ist so eine Sache, schwer zu verstehen. Hat es mich erwischt, weil sie so hübsch ist und sich nicht für mich interessiert? Geht es nur um die Eroberung? Den masochistischen Kitzel, möglicherweise abgelehnt zu werden? Hängt es mit meiner Einsamkeit zusammen oder mit meiner Unfähigkeit, mich festzulegen? Was immer es auch sein mag, es ist zu stark, um sich dagegen zu wehren, und hat schon lange genug angedauert. Ich muss etwas unternehmen – dann weiß ich wenigstens, woran ich bin. Nach etlichem Grübeln und Gezwirbel meines imaginären Schnurrbarts habe ich Folgendes beschlossen:
    An der Uni scheint sie von ziemlichen Langweilern umgeben, die aber mit Betriebswirtschaft und Ingenieurwesen (Hallo Stuart Green!) ziemlich gute Zukunftsaussichten haben dürften, was das Gehalt angeht. Ich schätze, meine einzige Chance ist, auf meiner sensiblen Geisteswissenschaftler-Saite zu spielen. So könnte es funktionieren, wenn ich es mit diesen Deppen aufnehmen will. Denn obwohl Kathy und ich wissen, dass sie

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