Wunder wie diese
Männer nicht über Gefühle oder persönliche Dinge unterhalten können und der Sport dafür herhalten muss. Wenn wir zusammen Tennis spielen, gehen wir beide vollkommen im Spiel auf und der »Wer zum Teufel bist du denn«-Argwohn, der sich so unangenehm anfühlt, wie wenn man mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzt, mit dem wir uns sonst beäugen, ist weg. Weil er so viel besser spielt als ich, gibt es kein destruktives Konkurrenzdenken. Wir haben beide etwas davon, wenn er mir Tipps gibt, und er freut sich riesig darüber, wenn ich hinterher auch nur ein bisschen besser spiele.
Genauso können wir den ganzen Tag schweigend vorm Fernseher beim Kricket verbringen. Es besteht keinerlei Zwang zu tiefschürfenden Gesprächen, die von vornherein dazu verurteilt sind, in Flammen aufzugehen. Wir kommunizieren wortlos. Durch Grunzen oder Gestikulieren fragen wir den anderen, ob er noch ein Bier will. Wir machen uns genüsslich im Wohnzimmer breit, Tag für Tag. Wenn einer von uns aus dem Raum muss, weil er etwas anderes im Haus zu erledigen hat, ruft er zwischendurch immer wieder »Wie steht’s?«, von wo auch immer er sich gerade befindet.
»Stand?«
»Sieben zu vier!«
»Wow!«
»Volltreffer!«
»YEEAAHH!«
Und so weiter.
21. Januar
Habe eine Postkarte von Rohan bekommen. Er ist jetzt auf Mykonos. Der hat einen Mordsspaß. Trifft sich gut, dass ich mich inzwischen darüber freuen kann, wenn es ihm gut geht, anstatt ihn um sein Glück zu beneiden. Er kommt Ende des Monats zurück und muss sich in Newcastle eine Wohnung suchen. Er hat die Stelle bekommen, für die er sich beworben hat. Na, war doch klar. Es gibt Leute, die haben ihr Leben im Griff und sind dabei, es zu leben. Und wisst ihr was? Ich freue mich für sie. Ehrlich.
25. Januar
Die Arbeitstage ziehen sich, ganz besonders wenn draußen die Sonne scheint. Ed und ich haben uns vorgenommen, am Anfang jeder Woche einen neuen Insider-Witz zu erfinden und ihn bis zum Ende der Woche unter den Aushilfen etabliert zu haben. Die kleine Amelia ist dabei die Schnellste, mit Abstand.
Es gibt da diesen kleinen egoistischen Scheißkerl namens Jeremy. Er ist gerade mal fünfzehn oder sechzehn und hält sich für total cool. Er empfängt am Donnerstagabend immer eine schier endlose Schlange von Mädels aus der Privatschule. Garantiert verkauft er ihnen Zigaretten und außerdem flirtet er mit ihnen, als gäbe es kein Morgen mehr. Bianca flirtet ihn schamlos an, was seinem Ego noch mehr Futter gibt.
Ich dachte eigentlich immer, dass Oberflächlichkeit eher das Spezialgebiet von Frauen sei. In meinen seltenen klaren Momenten ist mir vollkommen bewusst, dass Bianca, Celene und auch Kathy ziemlich künstlich sind, wenn man es mal auf einen Nenner bringen will. Jeremy ist das männliche Gegenstück zu ihnen. Ich kann ihn nicht ab. Er hat keine Brüste, die mich mit ihm versöhnen könnten. Nach der Arbeit hängt er mit seinen unterwürfigen Flittchen im Restaurantbereich rum und er trägt seine Baseballkappe verkehrt herum – ohne Scheiß!
Amelia wiederum ist das genaue Gegenteil von Jeremy. Sie ist echt. Sie ist belesen. Ich mag sie richtig gern. Oder vielleicht ist es ja auch nur meine Vorstellung von ihr, die mir gefällt. Sie ist so jung, dass sie überhaupt nicht in Betracht kommt, deshalb kann ich in meiner Vorstellung aus ihr Die-in-ein-paar-Jahren-perfekte-Frau machen. Ist es das, was ich gerade mache?
Mal schnell weiter im Text.
Gestern Morgen hab ich um 7 Uhr angefangen zu arbeiten und bei der Frischkostabteilung ausgeholfen, bis der Laden um 8 aufgemacht hat. Ich habe fast bis 21 Uhr durchgearbeitet. Dann war ich kurz davor, die Wände hochzugehen. Um 20.55 stand ich an der Service-Theke, während Ed draußen eine geraucht hat. Bianca war mal wieder dabei, Jeremys Fliege zurechtzurücken, und gab mir das Zeichen, die Feierabend-Ansage über Lautsprecher zu verkünden, meist irgendwas in der Form von: »Achtung, liebe Kunden, es ist kurz vor neun, wir schließen in fünf Minuten. Bitte beenden Sie Ihre Einkäufe und begeben Sie sich zu den Kassen. Danke, dass Sie bei Woolworth eingekauft haben, dem Laden mit dem Frischesiegel.« Manchmal werde ich nachts davon wach, dass ich es vor mich hinmurmele. Auf jeden Fall habe ich mir das Mikrofon geschnappt, und anstatt die Feierabend-Ankündigung zu machen, habe ich die Vietnam-Veteranenhymne Khe Sanh hineingeschmettert. Ich bin bis zu der Stelle mit »1973 gab es keine V-Day-Helden mehr« gekommen, als
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