Wunder wie diese
zu tun und zu lassen habe. Verdammt, ich bin schließlich erwachsen!
Wenn ich eine eigene Wohnung hätte, würde ich Mum und Dad bestimmt oft besuchen – ich liebe sie ja. Aber für unser Zusammenleben müssten andere Bedingungen herrschen. Der nächste Lebensabschnitt kann gar nicht früh genug kommen. Ich bin mal wieder auf Rohan eifersüchtig. Er hat einen Kurs angesteuert, der ganz eindeutig auf einen Job nach der Uni abzielte, und schon hat er einen und seine eigene Wohnung in Newcastle noch dazu. Und was fang ich mit einem Abschluss in Soziologie an? Selbst wenn ich es mir leisten könnte, wollte ich eh nicht noch meinen Master dranhängen. Ich brauch erst mal eine Pause vom Studieren. Was soll bloß aus mir werden?
28. April
Ich schreib jetzt den Brief an Amelia. Hier ist er:
Hallo Kleine,
was ich hasse, könnte ein ganzes Buch füllen. Und vielleicht wird eines Tages ja eins daraus. Hier eine kurze Zusammenfassung:
1) Oh-Brad. Ich habe keine Ahnung, wie er aussieht, aber in meiner Vorstellung ist er groß, breitschultrig, durchtrainiert, braun gebrannt und gut aussehend. Ich kann mir auch vorstellen, dass er einen Uniabschluss macht, der eine besonders gut bezahlte Stelle bringt. Er hat täglich uneingeschränkten Zugang zu der Frau, die ich liebe. Aber das Schlimmste daran ist, dass ich Michaela gut genug kenne, um zu wissen, dass sie mich nicht immer wieder angelogen und mich dann sitzen gelassen hätte, wenn sie diesen Typen nicht wirklich lieben würde. Ich kann noch nicht mal sagen, sie hat mich wegen Brad abserviert, denn wenn sie nie wirklich mit ihm Schluss gemacht hatte, waren wir auch nie wirklich zusammen.
2) Stuart Green. Stuart Green steht für alle Ungerechtigkeiten dieser Welt. Wenn es nach ihm ginge, würde er die Welt einfach komplett ausplündern. Er will nur absahnen. Früher dachte ich, aus seinem Blick spräche ein Meer von seelenlosem Nichts. Aber im letzten Jahr habe ich meine Meinung geändert: Sein Blick verrät gut getarnte Bösartigkeit. Mit der Kathy-Nummer hat er bei mir einen neuen persönlichen Tiefstand erreicht.
3) Ich befinde mich momentan in einem merkwürdigen Lebensabschnitts-Fegefeuer. Ich bin weit über einundzwanzig, aber ich wohne noch bei Mummy und Daddy in meinem Kinderzimmer. Die netten Leute bei Centrelink, dem staatlichen Kreditgeber, betrachten mich erst mit fünfundzwanzig als unabhängig. Bitte, lieber Gott, lass mich bis dahin längst über alle Berge sein. Wie auch immer, Kleine, es ist ein besonders demütigendes Dasein, das ich hier in der Acacia Terrace 16 hege, und es macht die Beziehung zu meinen Eltern beschissener, als sie sein sollte. Demnächst mehr dazu. Was mich zu meinem nächsten Punkt führt.
4) Sobald ich mit der Uni fertig bin, ziehe ich hier aus. Wenn es sein muss, werde ich noch mehr Stunden im Land der zerplatzten Träume abreißen, um die Miete zahlen zu können. Ich will irgendwohin, wo es erschwinglich ist, aber nicht ans Ende der Welt. Wer weiß, was mich an der Karrierefront noch alles erwartet. Eines jedenfalls ist jetzt schon absehbar: Irgendwann in den nächsten Jahren werden mir mein Vater, mein Onkel und diverse andere damit in den Ohren liegen, ich müsse mir ein Haus kaufen. »Ich habe dieses Haus gekauft, als ich so alt war wie du jetzt«, »Mieten ist rausgeschmissenes Geld« usw. usw. Weißt du, Kleine, ich betrachte Mietzahlungen als den Preis für die Freiheit und nicht als totes Kapital. Wie kann man nur Dads in den 70ern getätigten Kauf unseres Vierzimmerhauses für 24.000 $ mit dem Kauf eines Vierzimmerhauses in irgendeinem halbwegs netten Vorort für heutzutage mindestens 600.000 $ vergleichen? Halten sie das wirklich für fair? Und dazu kommen noch die Rückzahlungen für den Studienkredit. Ich krieg schon Schweißausbrüche, wenn ich nur daran denke. All das hast du noch vor dir, Kleine.
5) Ich glaube, die Kirschen der Nachbarn schmecken viel süßer als meine eigenen. Ich bin nicht gerade glücklich darüber, dass andere ihr Leben im Griff haben und es genießen, dass sie Geld, Unabhängigkeit, Intelligenz, Einfluss und heiße, verdammt heiße Freundinnen ihr Eigen nennen. Mein Kumpel Rohan hat vor ein paar Tagen angerufen und mir mitgeteilt, dass er grad die Anzahlung für ein Haus in Merewether, einem Stadtteil von Newcastle, gemacht hat. Er arbeitet gerade mal seit zwei Monaten. »Woher hast du denn die Anzahlung?«, konnte ich nicht umhin, ihn zu fragen, obwohl ich die Antwort schon kannte. »Von
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