Wunder wie diese
die dieser Mann wie besessen eingestreut hat. Teile seines Skripts widersprechen dem, was er – glaube ich – eigentlich erreichen will. Wie dem auch sei, er dreht vollkommen durch, weil er Angst hat, sein Dialog könne untergehen. Der Dialog bedeutet alles! Für ihn vielleicht, aber ich muss zusehen, dass das Ganze auch auf der Bühne funktioniert.«
»Na klar.«
»Ein guter Dialog ist das A und O. Ein funktionierender Dialog ist alles. Aber nicht der Dialog für sich genommen.«
»Genau.«
»Nach der Probe gestern Abend habe ich mit der Truppe im Foyer noch was getrunken. Er sah noch betrübter aus als sonst. Er drängte mich in die Ecke und fragte mich: ›Also Robert, mal ganz ehrlich, was hältst du eigentlich von dem Manuskript?‹ – ›Na ja, Peter‹, habe ich ihm geantwortet. ›Es schreit geradewegs nach einem verdichtenden Moment.‹«
»Ach Liebster!« Mum schüttelt den Kopf und streift die Asche von ihrer Zigarette.
»Also mal ehrlich, was für ein Jammerlappen! Ich werde von einem Sechsundzwanzigjährigen verfolgt, der noch jede Menge über das Theater lernen muss, und soll dabei noch meine Arbeit machen. Er hält mich davon ab, vergrätzt die Schauspieler und in zwei Wochen soll die Premiere sein.«
»Ja, aber warum schließt du ihn so dermaßen aus? Warum bist du so rabiat? Noch dazu, wo dieser junge Mann doch als der beste zukünftige Bühnenautor seiner Generation gehandelt wird?«
»Ist mir völlig schnuppe, als was er gehandelt wird. Er soll mich meine Arbeit machen lassen.«
»Hmmmm.«
Mums Missbilligung ist ungefähr so ernst zu nehmen wie Dads Missbilligung des Beethoven-Tanzes. Man kann heraushören, dass es ihr durchaus gefällt, wenn er niemandem die Füße küsst. Obwohl er längst eine bequeme Festanstellung beim Sydney Theatre hätte haben können, wenn er sich hin und wieder den richtigen Leuten gegenüber umgänglicher gezeigt hätte. Stattdessen muss er ständig von einer Produktion zur nächsten reisen.
»Möchtest du noch eine Zigarette, Liebling?«
»Ja, gern.«
Jetzt reicht’s. Ich erhebe mich, schalte den Fernseher aus und marschiere demonstrativ hinaus. Es war sowieso eine blöde Folge.
»Sieht so aus, als ob Amelia eingeschnappt abgerauscht wäre«, höre ich ihn feixen. Das ist einer seiner Lieblingssätze. Ich biete ihm viele Gelegenheiten, ihn anzubringen.
Ich sitze oben in meinem kleinen Zimmer auf dem Bett mit dem Rücken gegen die dünne Wand, die mein Zimmer von Jessies trennt. Meine Kleidung und meine Haare riechen nach Rauch. Auch meine Wut ist noch nicht verraucht. Es ist schon interessant, wie das Dampfablassen oder Wut im Allgemeinen sich als derart körperlicher Vorgang zeigen, ähnlich wie eine Welle, die an den Strand rauscht und wieder zurückweicht.
Es bedarf einer gewissen Weisheit, bestimmte Leute nicht zu vergraulen. Ich weiß, dass meine Eltern mir in dieser Sicht der Dinge nicht beipflichten würden. Zu dieser Weisheit gehört meines Erachtens auch, sich mit den richtigen Leuten gut zu stellen, wodurch sich Türen öffnen, die mit »kompromisslos sein« verschlossen blieben.
Das trifft zumindest auf mich zu. Wenn man sich zum Beispiel Woolies ansieht: Bianca hat die Diensteinteilung in der Hand. Sie beherrscht den sozialen, aber auch den praktischen Bereich, weil sie die dienstälteste Leiterin ist. Sie hat eine feste Schar von Anhängern um sich versammelt – Jeremy Horan, Street-Cred-Donna und ein paar andere. Sie sind alle ungefähr so alt wie ich. Sie halten sich an einen bestimmten Kodex aus Einschmeicheln, Unterwerfung, Raucherpausenritualen und verschiedenen Graden von Flirtverhalten.
Als Vorgesetzte entscheidet Bianca, wer an der Kasse sitzt und wer, wenn es mal ruhiger ist, sich davon entfernen darf, um »offiziell« Einkaufswagen einzusammeln und Ware nachzufüllen, aber eigentlich nur von den Kassen abberufen wird, um sie zu unterhalten. Ganz offensichtlich bevorzugt sie ihre Zöglinge. Sie sitzen deutlich am wenigsten Zeit an der Kasse ab. Sie verbringen zugleich weitaus mehr Zeit bei Bianca zu Hause, in der Villa ihrer Eltern, wo sie nach und nach den Weinkeller ihres Vaters leer trinken. Chris, Ed und Kathy gehören auch dazu, aber stehen mit Bianca auf einer Stufe, nicht unter ihr, weil sie im selben Alter sind.
Ich nehme bei Woolies in gewisser Weise einen Platz im Niemandsland ein. Ich zähle auf jeden Fall nicht zu Bianca und ihrer Gefolgschaft. Ich könnte natürlich behaupten, ich wäre so integer, dass ich mich
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