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Wunder wie diese

Wunder wie diese

Titel: Wunder wie diese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Buzo
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»Geisterstunde« in Sophiechen und der Riese von Roald Dahl, wenn ich mich recht erinnere. Meine Mutter hat Zoe und mir daraus vorgelesen, als wir klein waren. Ich erinnere mich, wie Sophiechen hinter den Vorhängen im Waisenhaus hervorgelinst hat, um einen Blick auf die Straße zu erhaschen. »Jetzt war die Geisterstunde gekommen.« Alles sah so unheimlich aus, so gespenstisch und milchig weiß… und dann! Erhascht sie den ersten Blick auf den GuRie, den Guten Riesen, wie er in seinem langen schwarzen Mantel und mit seinem Traumblasrohr immer näher kommt. Zoe und ich hielten uns unter der Bettdecke an den Händen. Wir waren genauso ängstlich wie Sophiechen.
    Ich komme gerade von einem durch und durch schönen Abend mit Amelia zurück, meine Mitgliedschaft in ihrem Fanklub ist auf unbestimmte Zeit verlängert. Wenn ich nicht so ein Scheißkerl wäre, würde ich mich bestimmt ein bisschen dafür schämen, wie ich sie gequält habe diese Woche. Aber ich glaube, wir haben alle etwas daraus gelernt. Ich hab sie nach der Arbeit auf eine Pizza eingeladen und ihr Große-Mädchen-Drinks spendiert. Ich weiß, ich weiß, aber wenn selbst ich sie nicht zum Bösen verleiten darf, wer denn sonst?
    Irgendwie hab ich dann angefangen, Amelia von Michaela zu erzählen. Ich muss völlig vergessen haben, wie jung sie ist und dass ich sie entsprechend behandeln sollte. Ganz der Gentleman habe ich sie dann noch nach Hause begleitet. Als wir bei ihr ankamen, hat sie erst mal durch die Vorhänge gespäht, bevor sie die Tür aufschloss. Das war es, was mich an Sophiechen und den GuRie erinnert hat.
    Ich unterhalte mich wirklich gern mit ihr. Ich mag es, wie sie gedanklich alles noch mal und noch mal durchkaut und dabei ihre Gedanken nicht zensiert. Es ist entspannend, mit ihr zusammen zu sein. Ich genieße es.
    So wie’s aussieht, bin ich ihr einen Brief schuldig. Eine kurze Abhandlung mit dem Titel Was ich hasse. Ich habe den letzten Bus nach Hause gekriegt und mir einen (ordentlichen) Schlummertrunk gegönnt. Ich werd noch eine Weile hier sitzen. Den Brief schreib ich morgen.
    1 Uhr
    Wenn sie nur zwei Jahre älter wäre, würde sie das Feld anführen.
    1.30 Uhr
    Ist sie aber nicht.
    2 Uhr
    Ich werde die Jeremy-Nummer auf sich beruhen lassen. Sie ist ja noch ein junges Ding. Sie wusste es nicht besser. Außerdem könnte sie anfangen zurückzufeuern.
    26. April
    Morgens und abends ist es kalt, tagsüber warm. Das macht es schwerer, aus dem Bett zu kommen. Kaum zu glauben, aber ich habe mein Schlummertrinken etwas reduziert. Vielleicht hat es mit Rohans Wegzug zu tun. Mick und Suze sehe ich zwar noch öfter, aber lange nicht so oft wie letztes Jahr. Durch Ros Umzug ist unser Kontakt etwas eingeschlafen. Außerdem konnten wir uns dank seines Autos einfacher verabreden. Mick und Suze wohnen im gleichen Vorort, deshalb treffen sie sich häufiger.
    In den letzten zwei Wochen hab ich mich nicht komplett gehen lassen. Seltsam. Heute Morgen habe ich mich gefragt, was ich wohl ohne mein ständiges Getorkel, meine Kopfschmerzen, die Gereiztheit und das ständige Gejammer über Michaela tun würde? Würde ich mich vielleicht total langweilen? Scheiße, vielleicht sollte ich heute Abend mal so richtig die Sau rauslassen. Morgen ist Samstag. Ich werde den ganzen Tag arbeiten, wie fast alle anderen auch. Danach gehen wir in den Pub. Ich werde mit Ed Sport auf Fox gucken und mit Donna und Bianca Billard spielen, Bier trinken und irgendwann vier Stunden älter sein. Immer das gleiche. Rohan hat es schon richtig gemacht. Wie lange kann man es denn an ein und demselben Ort aushalten? Mein Leben hier erinnert mich sowieso nur an Michaela. Ich glaube, ich sollte verdammt noch mal von hier abhauen. Ich brauch mal einen Tapetenwechsel. Brauch eine Routine, die noch keine fünf Jahre alt ist. Brauche eine eigene Wohnung und muss einen Weg einschlagen, der allein mir gehört.
    Meine Eltern kann ich momentan nur schwer ertragen, dabei sind sie ja keine schlechten Menschen. Aber ich will nicht mehr der Sohn unter ihrem Dach sein. Ich will nicht dazu aufgefordert werden, rauszukommen und mich mit Onkel Jeff zu unterhalten. Oder wer immer gerade zu Besuch da ist. Oder dass mein Dad bei mir anklopft, um mir mitzuteilen: »Es wird Zeit, dass du den Rasen mähst, Sohn.« Ich streite ja gar nicht ab, dass der Rasen dringend gemäht werden müsste oder dass es nur gerecht ist, wenn ich einen Teil der Hausarbeit übernehme. Aber ich hasse es, wenn er mir sagt, was ich

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