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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
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»Vielleicht gehört es einem armen Mann, und du
würdest seine letzten Vorräte wegwerfen. Wir wollen schnell hier Ordnung
schaffen«, und sie begann, alles an seinen Platz zu stellen und die Kissen
auszuklopfen. — »Weißt du was?« fuhr sie fort. »Ich werde ihm meine Börse in
den Sack stecken, damit er sich über etwas freuen kann.« Und sie wickelte ein
kleines Portemonnaie aus hellgrauem Leder in ihr Taschentüchlein und legte es
in den Sack.
    »Du hast ja komische Einfälle!« meinte
Ursula und lachte spöttisch. »Aber wo steckt der Mann eigentlich? Schnell fort,
Gisela, mir wird angst! Der Mann kann ja jeden Augenblick zurückkommen!« Und
sie packte die Schwester an der Hand und zog sie mit sich fort und
holterdipolter mit unterdrücktem Schreien und Lachen die Treppe hinunter.
    »Das ist noch gut gegangen!« dachte die
kleine Dott, packte ihre Sachen und sprang hinter den Mädchen die Treppe
hinunter und zur Tür hinaus. Dann lief sie an den Gebäuden entlang, um ein
stilles Fleckchen aufzufinden, denn sie war noch nicht ganz zur Besinnung
gekommen nach den Erlebnissen dieser Nacht.
    Hinter dem Haus aber blieb sie vor
Überraschung stehen. — Da, wo sie in der Nacht aus dem Fenster gesprungen und
durch Gestrüpp und Gras bis in das Moor und Bruchland der Löcknitz geflohen
war, lag jetzt ein wunderschöner Garten, der sich in Terrassen bis zu einer
Obstpflanzung und dahinter bis an einen breiten, ruhigen Wassergraben hinunterzog,
hinter dem sie Wiesen und Felder und in der Ferne die Dächer eines Dorfes sah.
    Die Morgensonne und der Jubelgesang der
Vögel erfüllten sie mit Freude nach den Erlebnissen der Nacht.
    »Ich sehe ein Land vor mir«, klangen
die Worte der Gemahlin des Markgrafen Gero in ihr nach, »die furchtbaren Sümpfe
sind entwässert, und Dörfer und Burgen liegen zwischen fruchtbaren Feldern und
lachenden Seen.«
    Dott lief von dem blühenden Jasmin zu
den Rosen und von da zu den Levkojen und den leuchtenden Beeten voll
Rittersporn und Margeriten, dann hüpfte sie quer über den Rasenabhang bis zu
einer weißen Bank, die durch eine blühende Hecke vor dem Herrenhaus verborgen
war.
    Sie nahm das feine Taschentüchlein
Giselas aus dem Beutel, faltete es auseinander und hüllte den goldenen Becher
hinein. Dann öffnete sie das Geldtäschchen und schaute hinein. Es enthielt zwei
blanke Markstücke und dreißig Pfennig.
    »Wer weiß, wozu ich das Geld noch
brauchen werde«, sagte sie nachdenklich zu sich selber, sie wußte ja nicht, ob
sie schon bald heimkehren durfte oder ob sie noch lange umherwandern mußte.
    »Aber meinen Beutel werde ich waschen
müssen«, fügte sie hinzu und betrachtete ihn mißbilligend. Er roch wirklich
nach Fisch.
     
     
     

Der Dank des Reihers
     
    Die Kleine lag lang ausgestreckt auf einer
der sonnenbeschienenen Stufen, die vom Garten des Schlosses Lenzen zur
Obstwiese und zum Graben hinunterführten. Sie hatte sich durch ihren
Wunderbecher wieder bis zur Größe eines Eichhörnchens zurückverwandelt. Als sie
aufblickte, sah sie Gurian an ihrer Seite stehen.
    »Hast du gegessen?« fragte der Reiher.
    »Nein«, erwiderte die Kleine. »Aber für
ein so winziges Menschenkind wird es wohl nicht schwer sein, etwas Eßbares zu
finden!«
    Ohne ein Wort zu verlieren, packte der
Reiher die Kleine um die Hüften, flog mit ihr davon, indem er sie behutsam im
Schnabel hielt, und setzte sie im Gemüsegarten des Schlosses Lenzen ab. Etwas
atemlos zupfte die Kleine ihre Kleider zurecht. »Du machst ja keine großen
Umstände mit mir!« sagte sie lachend.
    Der Reiher hatte sie vor einem
Erdbeerbeet niedergesetzt, und als Dott zwischen den Erdbeerbüschen
hindurchging, die für sie so hoch waren wie Pfirsichbüsche, und die süßen
Früchte groß wie Melonen und betäubend duftend über ihr hingen, da mußte sie
wieder vor Freude umhertanzen. —
    Dann begann sie mit ihrem Messerchen
eine der riesigen Beeren in Scheiben zu zerteilen.
    Als sie ihr Frühstück beendet hatte,
stand sie auf und trat vor den Reiher hin. »Gurian«, sagte sie und strich mit
ihrer kleinen Hand über seinen seidenweichen Flügel, »würdest du mich wohl in die
Nähe meines Heimatdorfes tragen? Ich muß die Eltern und Geschwister wiedersehen.«
    Der Reiher hob sie auf seinen Rücken
und stieg mit ihr in die Lüfte.
    In ruhigem, gleichmäßigem Fluge segelte
der Reiher über die Löcknitz hinweg, hinweg über die grüne Wische, über die
weitgestreckte Mauer des Deiches und das Vorland bis zu einer

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