Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
wird uns noch die Wohnung kündigen,
wenn du so weitermachst. Und was soll dann aus uns werden?«
Das wußte der Junge natürlich auch
nicht. Darum wagte er zuletzt auch nur noch, den Bogen in der Luft über der
Geige hin und her zu führen und die Finger so auf den Saiten zu bewegen, wie
der Meister es ihm gezeigt hatte.
Eines Tages aber packte ihn wieder die
Unruhe. »Es wird doch wohl noch irgendwo ein Plätzchen für mich geben, wo ich
ungestört spielen kann!« sagte er sich, und schnell entschlossen nahm er die
Geige unter den Arm und lief die Treppe hinunter und aus dem Hause hinaus.
Er lief so lange, bis er an das Ufer
der Spree kam. Da sah er, wie ruhig und gelassen der Fluß durch die
geräuschvolle Stadt zog, und er beschloß, hier den Abend zu erwarten.
Als es zu dunkeln begann, stieg er
vorsichtig die schmale Treppe hinunter, die zur Anlagestelle eines
Rettungsbootes führte.
Hier war er wirklich ungestört. Nichts
war zu hören als das Plätschern der Wellen und in der Ferne das Rauschen der
großen Stadt. Und niemand war zu sehen als ein alter, struppiger Krähenvogel,
der über ihm auf dem eisernen Geländer hockte und gedankenverloren zu ihm
hinunterschaute.
Da begann Klaus zu spielen. Jetzt aber
klang seine Geige so laut durch die Nacht, daß er den Bogen erschrocken sinken
ließ.
Enttäuscht schaute er auf die Geige. Da
lag sie nun auf seinen Knien, nutzlos wie ein gewöhnliches Stück Holz.
»Ach, wenn ich doch nur allein mein
Geigenspiel hören könnte«, dachte er verzweifelt, »und wenn mich kein Mensch
sehen könnte, während ich spiele!«
»Aber was nützt es, wenn man sich so
etwas wünscht«, seufzte er. Gleichgültig zog der Fluß an ihm vorüber, und
lustig tanzten auf seinen Wellen die Lichter der Laternen. Klaus blickte ratlos
zur Straße hinauf. Da saß noch immer der alte Krähenvogel, und es schien dem
Jungen, er blinzelte zu ihm hinunter, als wolle er ihm etwas sagen. Er lüftete
die Flügel, sprang auf dem Eisengeländer hin und her, streckte den Kopf vor und
blickte von der Treppe auf das Wasser und von da wieder auf die Treppe. Da
schaute auch Klaus auf den Fluß. Noch immer zitterten die Lichter auf den Wellen,
über ihnen aber war es wie ein Huschen von rotem und grünem Glanz und wie ein
Raunen und Murmeln. Und plötzlich hörte Klaus zwischen dem Rieseln des Wassers
eine Stimme: »Hallo!« rief es zu ihm hinauf, »dir könnte geholfen werden!«
Niemand war die Treppe
heruntergekommen, und doch hatte Klaus diese Worte unter sich gehört. Klaus
starrte hinunter, und plötzlich sah er es: Ein Junge stand dort unten, als sei
er soeben aus dem Fluß heraufgestiegen. Er war kleiner als Klaus, hatte einen
leuchtend grünen Anzug an und trug ein rotes Hütchen auf dem Kopf. Ganz ruhig
setzte er sich mit gekreuzten Beinen auf die unterste Stufe und lachte zu Klaus
hinauf.
Die Mutter hatte den Kindern oft von
den Wasserkobolden erzählt, die in Flüssen und Teichen leben und die es lieben,
die Menschen zu necken oder ihnen zu helfen. Sicher war der Junge da unten ein
Nix!
»Vor dem brauche ich mich wohl nicht zu
fürchten. Er sieht ja gar nicht böse aus«, sagte Klaus beruhigend zu sich
selbst. Aber er hielt die Geige fest umklammert.
»Ja, dir kann geholfen werden«,
wiederholte der Rote Junge und nickte ihm zu. »Ich könnte deinen Wunsch wohl
erfüllen. Denn unsichtbar und unhörbar vor den Menschen zu leben, das ist für
uns eine Kleinigkeit. Aber wenn wir dir etwas von unseren Kräften geben sollen,
so mußt auch du uns etwas bieten, das wirst du wohl einsehen. Ich verlange
nichts weiter als ein wenig von deiner Menschenschönheit für das neugeborene
Kind unseres Königs — denn nach eurer Schönheit sehnen sich alle Geister, die
über und unter der Erde sind.«
»Die kannst du gern haben, wenn du mir
nur hilfst, daß ich ungestört spielen kann!« erwiderte Klaus und atmete auf. Er
wunderte sich aber über das Verlangen des Kleinen, denn er war ein rechter
Junge und hatte bis jetzt noch nicht einmal darüber nachgedacht, ob überhaupt
etwas Schönes an ihm war.
»Topp!« rief der Kleine und sprang auf.
»Das wird gemacht!« Bei diesen Worten aber strich er mit seiner Hand über
Gesicht und Geige des Jungen, und dann nahm er ein grünes Mützchen aus der
Tasche.
»Hier ist deine Nebelkappe. Sobald du
sie über dein Haar ziehst, bist du vor den Augen der Menschen verschwunden, und
niemand kann dein Spiel hören!« sagte er. Klaus griff sogleich nach der
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