Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Stadt!«
»Leg deine Arme fest um meinen Hals und
mach die Augen zu!« krächzte Cornix. Dann glitt er in die Tiefe und steuerte
auf die Spree zu. Nach allen Seiten spähend, flatterte er am Ufer entlang, und
plötzlich landete er mit der Kleinen auf der Böschung des Flusses. — »Mach die
Augen wieder auf, kleine Dott!« sagte er. »Da unten sitzt er schon!«
Auf dem Abhang sah Dott einen Jungen
sitzen, viel mehr als seinen Rücken konnte sie jedoch nicht erkennen. Er
spielte auf einer Geige, es war aber kein Ton zu hören. Gekleidet war er wie
andere Jungen auch. Auf dem Kopf aber trug er eine absonderliche Kappe, die ihr
bekannt vorkam.
»Wie kommt es denn, daß du das Mützchen
des Roten Jungen auf dem Kopf hast?« fragte sie ihn, denn sie hatte ganz
vergessen, daß sie für alle Menschen unsichtbar war.
Der Junge war aufgesprungen und starrte
sie an.
»Oh, entschuldige bitte«, sagte Dott,
»du brauchst doch nicht so vor mir zu erschrecken!«
»Wie kannst du mich denn sehen, wenn
ich eine Nebelkappe trage?« fragte der Junge.
»Das macht die Rennefarre in meinem
Schuh«, beruhigte ihn die kleine Dott. »Dadurch sehe ich mehr als andere.« —
Plötzlich aber fiel ihr ein, daß sie ja selbst unsichtbar war. Der Junge aber
starrte sie an, als sähe er sie ganz deutlich. — »Aber wie kommt es denn, daß
du mich sehen kannst? Ich bin doch unsichtbar für alle lebenden
Menschen. — Du bist doch wohl lebendig?« erkundigte sie sich.
Der Junge schaute immer verwirrter auf
die Kleine. »Ich muß wohl ganz und gar verhext sein!« sagte er endlich. »Du
bist wohl eine Elfe, weil du so klein bist?« Er hatte eigentlich an einer Begegnung mit der Geisterwelt genug. Die kleine Dott aber stand vor ihm so
winzig wie ein Eichhörnchen.
»Ach nein«, lachte die Kleine. »Mit den
Elfen habe ich überhaupt nichts zu tun. Ich bin nur Dott. Ich bin ein
Menschenkind wie du. Und ich kann auch wieder groß werden! Siehst du, das mache
ich so!«
Schnell zog sie ihr goldenes Becherchen
aus der Tasche und rieb es von innen. Und nach wenigen Augenblicken schon war
sie vor den Augen des Jungen zu ihrer natürlichen Größe herangewachsen. Der
Junge aber sah nicht sehr erfreut aus über ihre Verwandlung. »Du«, sagte er,
»mach nicht noch mehr solche Kunststücke!«
»Und du — du hast mir noch immer nicht
gesagt, warum du das Mützchen vom Roten Jungen auf dem Kopf hast!« fragte Dott
wieder.
»Wenn ich spiele, darf mich doch
niemand sehen und hören«, erklärte der Junge. Dann aber wandte er ihr den
Rücken zu und machte sich an seinen Schuhen zu schaffen, denn es fiel ihm ein,
daß er so häßlich wie ein Kobold war.
»Aber warum darf dich denn niemand
sehen und hören, wenn du spielst?« wollte die Kleine nun wissen.
»Weil man mich dann nicht ruhig spielen
läßt«, wiederholte der Junge ausweichend.
»Aber du spielst doch jetzt gar nicht«,
drängte die Kleine. »Warum behältst du denn auch jetzt die Mütze auf dem Kopf?«
Dott schaute nun selbst voll Mißtrauen auf den Jungen.
»Warum ich die Mütze auf dem Kopf
behalte?«, erwiderte der Junge ungeduldig. »Wenn man so aussieht wie ich, kann
man sich nicht mehr unter den Menschen sehen lassen!« Und mit diesen Worten
sprang er den Abhang hinauf.
Die Kleine rannte hinter ihm her. »So
warte doch!« rief sie. »Du darfst doch nicht einfach weglaufen, wenn man mit
dir spricht!«
Der Junge blieb stehen, ohne sich
umzudrehen. »Graut dir denn nicht vor mir?« fragte er. »Meine Geschwister sogar
sind vor mir davongerannt!«
Die Kleine sprang vor ihn hin. »Siehst
du denn nicht, daß ich dich ansehen kann? Kein bißchen graut mir vor dir!«
Und warum sollte ihr auch vor diesem
Jungen grauen? Er hatte ein richtiges Jungengesicht, mit klugen blauen Augen,
roten Haaren und vielen Sommersprossen.
Als der Junge merkte, daß die Kleine
nichts Besonderes an ihm bemerkte, fühlte er schnell mit der Hand nach seinem
Gesicht. Ja, da hatte er eine Nase, wie er sie immer gehabt hatte, und auch
sein Mund war genau so groß, wie er sein sollte.
»Nun weiß ich überhaupt nicht mehr, was
ich denken soll!« rief er. »Ich habe doch selbst im Spiegel gesehen, wie
häßlich ich bin!« Dann aber fiel ihm etwas ein. Rasch hob er seine Geige unter
das Kinn und spielte. »Paß auf!« sagte er aufgeregt. »Hörst du etwas von meinem
Spiel?«
»Nein. Ich kann überhaupt nichts
hören!« sagte die Kleine, die nun gleichfalls in großer Aufregung war. Denn sie
merkte, daß es hier um
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