Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ramsay
Vom Netzwerk:
Mongolen fliehen. Sie wälzten sich zurück durch Mähren und
Ungarn. Wir flogen hinterher, Menschenkind!«
    Die Kleine saß aufrecht auf dem Rücken
des Cornix. Sie meinte, die Geschichte der Menschen sei ziemlich oft eine sehr
traurige Geschichte.
    Als sie im Osten der Oder nach Norden
zogen, kam Mutter Kra ganz nah an die Seite des Cornix geflogen. »Schau
hinunter, Menschenkind!« sagte sie streng. »Siehst du das Gebirge, das wie eine
Mondsichel gebogen ist? Das ist das Katzengebirge im Osten der Oder. Und siehst
du die Stadt dort am Rande dieses Gebirges? Gut! Dann siehst du wohl auch das
Klostergebäude dort, gerade unter dir? Schau gut hinunter, Menschenkind!«
    Die Kleine schaute auf alles, worauf
die alte Krähe sie hinwies. Mutter Kra hätte sie nicht noch besonders zu mahnen
brauchen.
    »Diese Stadt und dieses Kloster darfst
du nie vergessen, Menschenkind! Denn dort liegt die Frau begraben, von der man
heute noch, nach siebenhundert Jahren, in aller Welt spricht: die heilige
Hedwig, die Herzogin von Schlesien.« — Mutter Kra flog so dicht an die Kleine heran,
daß der Wind ihrer Flügel das Haar der kleinen Dott in die Höhe flattern ließ.
»Wir waren dabei! Wir haben alles gesehen, was Herzogin Hedwig in Schlesien
getan hat!
    Wir haben gesehen, wie der polnische
Herzog Heinrich von Schlesien sie als Braut aus dem Reiche zu seinem polnischen
Volk geholt hat! Heinrichs Vater war der erste reichstreue polnische Fürst aus
dem Hause der Piasten! Die junge Braut aber war die Tochter des deutschen
Grafen von Istrien, Herzogs von Dalmatien, Kroatien und Meran. Deutsches Blut
kam zu slawischem Blut! Und die Braut war so alt wie du, Menschenkind!«
    Es war, als wenn Mutter Kra ein uraltes
Lied sang: »Wir haben den langen, langen Zug von Pferden und Wagen gesehen, mit
dem die Braut ins Land kam! Edelfrauen und Gespielinnen und Mägde und Ritter
und Hunderte von Dienern und bewaffneten Knechten! Und in den Wagen Gold und
Silber, Leinen und Seide und Kirchengeräte und Betten und Hausrat und Tonnen
und Kisten mit Speise und Trank, alles, was die Eltern ihrem Kinde mitgaben auf
seine Fahrt durch die Bannwälder und über die Heide von Kastell zu Kastell, von
Burg zu Burg, von Stadt zu Stadt — und wir hinterdrein. Wir sammelten, was
abfiel. Immer sammeln wir, was abfällt, Menschenkind! — Wir sind ihr gefolgt,
bis sie in die alte Herzogsburg in Breslau eingezogen war. Wir wissen, wie jung
sie war, wie zart sie war, sie war damals so alt wie du, Menschenkind!«
    Mutter Kra schwieg, und die Kleine
schaute mit ihren großen, grauen Augen nachdenklich zurück, dorthin, wo das
Kloster Trebnitz hinter ihnen verschwand.

    In ihrer märkischen Heimat hatte sie
nicht viel über die heilige Hedwig gehört. Sie wußte nur, daß die Herzogin
nicht nur in Schlesien, sondern auch in Brandenburg Kirchen gebaut hatte. In
vielen der ganz alten Gotteshäuser in der Prignitz gab es noch Bilder der
heiligen Hedwig, auf denen sie mit einer kleinen Kirche im Arm dargestellt war.
    Bei der Erzählung der alten Krähe aber
war ihr, als sei die Herzogin ganz nahe bei ihr. Sie konnte ja so gut
verstehen, wie es der kleinen Braut zumute war, als sie ihre schöne Heimat in
den Alpen und die lieben Eltern verließ und in das fremde polnische Land zog,
um dort Herzogin zu werden! Und nun wünschte sie, noch viel mehr von der
heiligen Hedwig zu hören!
    Darum aber brauchte sie Mutter Kra
nicht erst zu bitten. Nach einer kurzen Pause schon setzte diese ihre Erzählung
fort: »Wir waren dabei, als Herzog Heinrich die deutschen Siedler aus dem Reich
nach Schlesien rief. Wälder fielen, Sümpfe verschwanden, Dorf wuchs neben Dorf.
Und die Herzogin ritt durch Schlesien und stellte Klöster und Kirchen in die
Wildnis, mit Glocken und Unterricht und Krankenpflege und acker- und
gartenkundigen Mönchen. Das war es, was sie mit dem Schatz tat, den ihr die
Eltern mitgegeben hatten. Damals war sie eine junge Frau, Menschenkind und sie
hatte Kinder, die so alt waren wie du.
    Aber auch anderes habe ich gesehen«,
fuhr die Alte eilig fort. »Wir sahen nächtliche Ritte der polnischen Edelinge
zu heimlichen Beratungen gegen den Herzog, wir hörten Schwüre und sahen Verrat,
slawisches Blut gegen deutsches, ein polnisches Heer gegen das reichstreue
schlesische Heer — mit den polnischen Schlachtschitzen ritt Konrad, die
Reichstreuen führte Heinrich der Fromme: beide Brüder, Söhne der Herzogin
Hedwig! Furchtbares sahen wir! Die Flucht der Eltern vor

Weitere Kostenlose Bücher