Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
die
Strohhalme aus den Kleidern, band die Geige wieder auf den Rücken und lief aus
der Bahnhofshalle hinaus.
Der Junge hatte keine leichte Zeit
hinter sich. Als die kleine Dott sich in Berlin von ihm verabschiedet hatte und
mit dem alten Krähenvogel in die Luft hinaufgestiegen war, hatte er regungslos
dagestanden und ihr nachgeschaut, bis sie hinter den Dächern verschwunden war.
»Im Osten werde ich auf dich warten«, hatte sie gesagt. Das sah Dott ähnlich!
Als wäre der Osten ein Haus, in dem man sich so einfach treffen könnte!
Da es aber ganz gleich war, wohin er
ging, konnte er ja auch nach Osten gehen, dachte Klaus. Und sobald er den
Entschluß gefaßt hatte, fügte sich alles so, daß er auf die schnellste Weise in
den Osten kam. Zuerst glückte es ihm, im Berliner Hafen an der Spree auf eine
Zille zu gelangen, auf einen der großen Spreewaldkähne, der für Lübbenau im
Spreewald Ziegeln geladen hatte. Und um die Fahrt nicht als blinder Passagier
zu machen, hatte er sich allerlei Arbeiten ausgedacht, die er heimlich für die
Familie des Schiffers tun konnte.
Wenn der Schiffer mit seiner Frau und
seiner kleinen Tochter am Morgen aus der Kajüte zum Verdeck heraufgestiegen kam,
waren die Blumen in den grünen Kästen vor der Kajütentür schon begossen, das
Verdeck war geschwemmt und die Kartoffeln lagen sauber geputzt in einer
Schüssel im Wasser.
Der Schiffer war ein Spreewälder und
nicht leicht in Verwirrung zu bringen. Er wußte, daß es Geister gibt, die uns
helfen oder schaden können. Und so fand Klaus während seiner Reise immer ein
Schüsselchen mit einem Mahl auf dem Kajütendach stehen, wenn die Schiffersleute
selbst ihre Mahlzeit hielten. — Am letzten Tag der Fahrt aber hatte die Frau
neben die Schüssel mit Grütze einen Leinenbeutel gelegt, in den sie Brot und
ein wenig Speck getan hatte, und der Schiffer hatte sogar auf einem
Holzbrettchen drei Silberstücke dazugegeben; solche Gaben an die Helfegeister
sind im Spreewald nichts Ungewöhnliches.
Der Junge hatte nun genug Zeit, auf
seiner Geige zu spielen, während der Kahn still durch den Großen Müggelsee und
auf der Spree durch die Wiesen und Wälder glitt. Je wohlklingender die Töne
aber unter seinem Bogen wurden, um so mehr verlangte er danach, in einer
wirklich vollkommenen Weise spielen zu lernen. Wie aber sollte er einen Lehrer
finden!
Am dritten Tage seiner Fahrt mit der
Spreewaldzille gewahrte der Junge am Himmel zwei Reiherzüge, die mit lauten
Schreien über die Wiesenlandschaft dahinflogen, und auf dem vordersten Reiher
glaubte Klaus eine kleine Gestalt zu erkennen. Da sprang er auf das Dach der
kleinen Kajüte und winkte nach oben, und auch die kleine Gestalt da oben winkte
hinunter zu ihm, bis die Reiher in der Ferne verschwunden waren.
Einmal flatterte sogar eine Krähe vor
ihm her und führte ihn zu einem Güterzug mit einem Wagen voller Schafe, mit dem
er ganz bequem bis Breslau gelangte.
As er aber so allein vor dem fremden
Bahnhof stand und über den weiten Platz blickte, wußte er nicht, wohin er sich
wenden sollte.
Um ihn herum lärmte der
Großstadtverkehr. Automobile und Omnibusse sausten und dröhnten vorüber,
Hunderte von Menschen drängten aus den Bahnhofshallen auf den Platz, und alle
Fahrzeuge und Fußgänger bewegten sich in einer Richtung. Da meinte
Klaus, das Einfachste sei, sich ihnen anzuschließen.
So wanderte denn mitten im eilig
dahinflutenden Großstadtverkehr eine seltsame kleine Gestalt der Stadt zu,
langsam und müde, die Kleider und Schuhe verstaubt, Strohhalme im Haar, eine
grüne Kappe auf dem Kopf und eine Geige auf dem Rücken. Mit dem Strom der
Menschen zog Klaus bis zum nahen Stadtgraben, der zusammen mit der Oder die
alte Stadt wie in einem Ring einschließt. Hier schlenderte der Junge aufs
Geratewohl weiter über die Brücke und in die alte Stadt hinein.
Eng waren die Straßen der Altstadt, das
Tageslicht fiel nur gedämpft bis zum Pflaster. Manche Straßen hatten keinen
Fußsteig, und manche keine Fahrbahn, überall gab es geheimnisvolle Winkel und
Torbogen, die in neue Straßen führten, und Überraschungen gab es bei jeder
Wendung.
Schon schlug es drei Uhr — dumpf und
laut hallte es durch die Gasse. Da gelangte er auf einen großen Platz. In der
Mitte stand ein großes altes Rathaus mit vielen grünen Türmen und prachtvollen
Giebeln, mit großen und kleinen Erkern und mit steinernen lachenden Figuren und
merkwürdigen spitzbogigen Fenstern und Türen. Unten aber, dicht an
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