Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
nicht bemerkt, dass drei ältere Jungen mich verfolgt haben und nun gierig auf meine geschlossene Faust starren. Schnell mustere ich sie und überlege, ob ich es mit ihnen aufnehmen kann. Keine Chance. Sie sind mindestens einen Kopf größer als ich. Ihre schwarzen Haare glänzen in der Abendsonne, und ihre breiten Schultern und die dicken Arme sehen aus, als würden sie bei ihrem Vater auf dem Feld mitarbeiten. Ihre kleinen Augen und die vorstehenden Wangen ähneln einander, es sind wahrscheinlich Brüder. Mit einem Mal schlägt mir das Herz bis zum Hals und ich verstecke meinen Schatz hinter dem Rücken.
»Sag, was hast du da, Kleiner!«, grollt der größte der drei und kommt mir bedrohlich nah. Dabei formt seine Hand eine Faust und er hebt sie bereits halb hoch. Schnell überlege ich, ob ich flüchten kann. Ich müsste nur hastig über das ausgetrocknete Rheinufer, durch das kleine Wäldchen nach Oberkassel rein. Auch wenn ich noch nicht so lange hier wohne, könnte ich sie in den kleinen Gassen am Draekeplatz abschütteln. Mit ein bisschen Glück könnte ich es auf die Luegallee und in Vaters Haus schaffen. Doch sie scheinen gut trainiert. Ihre Beine sind von Schrammen übersät, sie bilden kleine, rote Sicheln, als ob sie Tag für Tag durch das Unterholz schleichen. Ich entscheide mich für ein Bauernopfer, wie Vater beim Schach immer so schön sagt.
»Nur ein paar Mandeln. Wollt ihr die haben?« Ich versuche so mutig, wie möglich zu klingen und halte ihnen die Papiertüte vors Gesicht.
Doch das scheint ihn nur wütender zu machen. Mit seiner wuchtigen Faust schlägt er sie mir aus der Hand. »Die Mandeln sind mir egal, gib uns das Geld, sonst setzt es was!«
Mist, sie haben es gesehen. Ich spüre die Münzen schwer in meiner Faust liegen, als würden sie Tonnen wiegen. Mit zitternden Fingern hebe ich die Papiertüte hoch und stecke sie in meine Tasche. Dann drehe ich mich mit einem Ruck um und spurte los, so schnell ich kann. Auf den ersten Metern kann ich Boden gutmachen, aber sie holen mich schnell ein. Beinahe habe ich es vom offenen Rheinufer weg geschafft, doch ich spüre die japsende Atmung der drei dicht hinter mir. Nur noch wenige Meter, ich kann das satte Grün des Wäldchens schon sehen. Dann spüre ich einen dumpfen Schmerz. Ein kräftiger Tritt gegen mein Bein verhindert, dass ich es in das Dickicht schaffe. Sofort verliere ich das Gleichgewicht und stürze aus vollem Lauf auf den getrockneten Boden. Einige Meter schleifen meine nackten Beine über die braunen Scherben und wirbeln dabei eine Staubwolke auf. Der Schrei aus meinen Mund kommt, ohne dass ich es will. Sofort brennen meine offenen Beine wie Feuer. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sehe ich, wie sich das Blut über meine Haut legt und sich schnell einen Weg nach unten sucht. Hechelnd stehen die drei vor mir.
»Fürs Weglaufen setzt es extra eine!«, grölt ein Junge. Nur Augenblicke später donnert er seine Faust gegen meine Nase. Der Schmerz zieht sich durch meinen ganzen Körper, trotzdem schaffe ich es, aufzustehen und meinen Fuß in seinen Unterleib zu rammen. Er taumelt zurück. In diesem Moment stürmen seine beiden Freunde auf mich zu. Bevor sie ausholen können, trifft ein Körper mit voller Wucht gegen den des größten Angreifers. Mit weit aufgerissenen Augen starren die drei Jungs auf die Gestalt, die sie überrumpelt hat.
»Drei gegen einen ist unfair!«, schreit der Junge mit strohblonden Haaren spitz, während er aufsteht und sich neben mich stellt. Er ist kaum größer als ich, doch aus seinen stechenden blauen Augen spricht so viel Wut, dass die drei erst mal innehalten. Beinahe bemerke ich nicht, wie sich noch ein dritter Junge in unsere Riege einreiht. Für einen kurzen Moment riskiere ich einen Blick. Seine dicke Hornbrille ist ihm auf die Nasenspitze gerutscht und das runde Gesicht scheint vor Angst zu glühen. Das Hemd spannt über seinem dicken Bauch und trotzdem wirkt er kräftig und nicht unbeholfen.
»Das ist nicht eure Sache. Haut ab, oder ihr kriegt auch ein paar auf die Zwölf!«
»Dann mache ich es zu meiner Sache«, faucht der Blondschopf neben mir und hebt drohend die Faust.
Die drei Jungen sehen sich fragend an und machen ein paar Schritte auf uns zu, jedoch weitaus unsicherer als noch vor wenigen Augenblicken.
»Du kennst ihn doch gar nicht. Willst du einfach so ein Paar auf die Fresse kriegen?«
»Selig sind die Gerechten und wenn das der Preis dafür ist – gerne«, schießt es aus dem Jungen
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