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Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Dick eingepackt in mehrere Kleiderschichten spielten Kinder in den letzten verbliebenen Lichtfetzen und gut angezogene Frauen unterhielten sich vor Schaufenstern. Nur die vielen Flugabwehrkanonen, die sich wie spitze Nadeln in den Himmel emporstreckten, wirkten in dieser Abendidylle grotesk. Der Royal Air Force gehörte die Lufthoheit bei Tage, allein in der Nacht konnte man das Dröhnen der zweimotorigen Messerschmitts noch vernehmen. Doch das sollte man nicht allzu laut sagen, selbst als Kriminalkommissar.
    Die mehrstündige Fahrt hatte sich bleiern in seine Glieder gefressen. Als er mit einem lauten Stöhnen aus dem Wagen stieg, nahm sich Nikolas Zeit, seinen Körper zu strecken. Dann zündete er sich eine Zigarette an und band seine Krawatte neu. Er wollte ihn hinauszögern, den Moment, in dem ein Telefonat zur grausamen Wahrheit wurde. Die Kieselsteine knirschten unter seinen Schuhen, als er die ersten Schritte auf dem Nordfriedhof zurücklegte. Es waren viele Gräber hinzugekommen in letzter Zeit. Die Leichen kamen nun von zwei Fronten. War er eben noch nervös gewesen, kroch das Unbehagen mehr und mehr in ihm hoch und nistete sich tief in ihn ein. Hastig zog er am Glimmstängel. Die neuen Gräber waren geschmückt und von Blumen übersät. Flackernde Kerzen wiesen ihm den Weg zu seinem alten Freund. Nikolas musste sich räuspern und spürte mit jedem Schlucken, wie ein Kloß sich in seinem Hals festsetzte. Mehrmals drehte er sich um. Hier war nichts außer den Trauerweiden, die ihre Zweige zärtlich im Wind über die Gräber hängen ließen, als wollten sie diese streicheln und damit die Toten, die kein Leid mehr klagen konnten. Von Weitem sah er mehrere Lichtflecken an einem Punkt konzentriert. Noch einmal atmete er tief durch, dann richtete er seinen Mantel und seinen Hut.
    Die Kerzen leuchteten die Hakenkreuzbanner rötlich an, die um die Blumensträuße gewickelt waren.
    ›In tiefer Trauer. Deine Familie‹
    ›Niemals vergessen. Deine Freunde‹
    ›Deine Kollegen der IG Farben. Sieg Heil!‹
    Selbst aus der Dunkelheit heraus konnte Nikolas erkennen, dass die Erde gerade erst aufgehäuft worden war. Der Wind pfiff an seinen Ohren vorbei, sodass er den Schal etwas enger zog, als er einen Schritt näher auf die beiden Grabsteine zuging. Dann wurde die Szene, die er seit dem heutigen Morgen im Geiste durchgespielt hatte, Realität. Die beiden Grabsteine waren schlicht, nur ein eingraviertes Kreuz zierte die rechte Seite des hellen Steins.
     
    Erik Stuckmann
    Geboren: 10. März 1916
    Gestorben: 04. März 1944
     
    Marie Stuckmann
    Geboren: 25. August 1938
    Gestorben: 04. März 1944
     
    In wenigen Tagen wäre Eriks Geburtstag gewesen. Hätte er daran gedacht? Wahrscheinlich nicht. Ein toller Freund war er. Nikolas bemerkte, wie ein stechender Schmerz sich in seinem Gesicht sammelte und die Tränen aus den Augen herausdrückte. Er nahm den Hut ab und spürte sofort, wie der Wind sich in seinen Haaren fing. Die Bilder ihrer Kindheit schossen ihm durch den Kopf. Mit jedem weiteren Herzschlag wollten seine Beine das Gewicht des Körpers nicht länger tragen. Die Schrift auf dem Stein begann zu verschwimmen, erst leicht, dann war sie kaum mehr zu erkennen. Doch erst als seine Knie den Boden berührten und er die Hände in das feuchte Gras presste, verließ die erste Träne seine Wange und ein tiefes Schluchzen erfüllte den menschenleeren Friedhof.
     
    *
    16. Juli 1924, Düsseldorf
     
    Ich liebe die Rheinkirmes! Mit einem breiten Grinsen verlasse ich die Festwiese und schlendere über das ausgedörrte Oberkasseler Rheinufer. Die Sonne hat es in dieser dritten Juliwoche ganz besonders gut mit uns gemeint, während sie mir stechend im Nacken sitzt und mein Hemd mir an der Haut klebt. Mit den leichten Wellenbewegungen wiegt sie sich im Rhein und zaubert ein wunderschönes Orange auf den späten Nachmittagshimmel. Genüsslich schiebe ich mir noch ein paar gebrannte Mandeln in den sowieso schon vollen Mund. Vater muss bei der Polizei wieder lange arbeiten, so hat er mir Geld mitgegeben, dass zumindest ich auf die Kirmes kann. Schnell greife ich in meine Hosentasche, um zu schauen, ob noch etwas von den Rentenpfennigen übrig geblieben ist. Tatsächlich! Zwischen einer Trillerpfeife und ein paar zerknüllten Papieren kann ich dreimal die zusammengebundenen Ähren auf den matten Geldstücken erkennen.
    »Was hast du da, Kleiner?«
    Ich schließe meine Hand zur Faust, als ob ich einen Schatz behüte. Habe gar

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