Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
fahlen Schein. »Um einen unnötigen, und meiner Meinung nach auch enervierenden Schusswechsel zu vermeiden, biete ich Ihnen an, dass Sie sich ergeben. Wie viele mögen von Ihnen noch am Leben sein? Fünf, vielleicht sieben? Sieht von hier oben auf alle Fälle nicht sehr gut für Sie aus.«
Nikolas versuchte sich so betont locker wie möglich umzudrehen, blickte kurz zu der Gruppe und zog die Augenbrauen streng zusammen. »Sie werden uns doch trotzdem erschießen.«
»Mitnichten, Herr Kommissar.« Er klang entrüstet. »Tatsächlich schenke ich Ihnen nicht nur das Leben von Herrn Dr. Weißenfels, sondern auch das Ihrige. Natürlich kann ich nicht garantieren, dass die übrigen Eindringlinge dieselbe Behandlung erfahren. Aber das versteht sich ja von selbst, nicht wahr?«
»Wieso sollte ich das Leben eines Verräters retten wollen?«, stieß Nikolas etwas zu laut hervor. Gleichzeitig erschrak er über seine eigenen Worte. Was ist, wenn sie ihn unter Druck gesetzt hatten?
Varusbach verzog das Gesicht, legte den behandschuhten Finger ans Kinn. »Das Wort Verräter klingt aus Ihrem Munde beinahe ironisch. Aber Sie reden von Dr. Weißenfels. Nun fragen wir doch mal, wie es um sein Wohlbefinden steht. Hannah, wärst du so freundlich?«
Aus weiter Ferne, aus dem Hintergrund der Empore, wurde das Klackern von hochhackigen Schuhen zu ihnen geworfen. Erst leise, dann immer schneller und lauter, als würde sie ihren Schritt beschleunigen. Ihr funkelndes Abendkleid stach aus der Dunkelheit, während sich ein paar blonde Strähnen aus ihrer Hochsteckfriseur gelöst hatten und bei jeder Bewegung mitwippten. »Hallo, Nikolas.«
Er konnte nicht sagen, was er aus ihrer Stimme heraushörte. War es Traurigkeit, Erlösung, Scham, Stolz? »Hannah? Warum bist du hier? Wo ist Martin?«
Sie trat etwas näher an Varusbach heran, ihre Blicke trafen sich. »Er ist bei mir zu Hause, Nikolas. Wird zwar morgen mit einer ziemlichen Beule aufwachen, aber ihm geht es gut.«
»Frau Stuckmann war so nett und hat ihren kürzlich verschiedenen Ehemann«, Varusbach machte eine vollendete Handbewegung, als suche er die passenden Worte, »im Auge behalten. Wie es sich für eine richtige, eine wahre Volksdeutsche gehört!«
Sein feuriger Blick schoss nach unten in das Foyer. Seine Worte waren ganz klar an Nikolas gerichtet. Dann sah er zu Hannah, hielt sich mit der einen Hand am Geländer fest und strich mit der Rückseiten zweier Finger über ihre Wange. »Ich vermag gar nicht zu sagen, wie schwierig es für dich sein musste, über Monate diese kleine Scharade aufrechtzuerhalten.« Wie ein Oberlehrer hob er den Finger in die Höhe, drehte sich zu seinem Auditorium. Es musste ein wahrer Hochgenuss für ihn sein, er kostete jeden Moment sichtlich aus. »Aber wie es so oft im Leben ist: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Nicht wahr, Herr Brandenburg?«
»Hannah? Sag, dass das nicht wahr ist!« Nikolas wollte auf sie zustürmen, die Treppe in wenigen, vor Wut geladenen Schritten nehmen, doch er wurde von den drohenden Gewehren zurückgehalten.
»Oh, es ist wahr«, konterte Varusbach mit Gleichgültigkeit in der Stimme. »Frau Stuckmann ist eine unsere besten Stabsangehörigen, wenn es darum geht … nun sagen wir, etwas labilere Mitarbeiter mit hochgeschätztem Potenzial ein wenig genauer in die Gedankenwelt zu schauen und sie auf die richtige Spur zu bringen.« Er machte ein paar verspielte Schritte, stand am Ende hinter Hannah. Zärtlich legte er den Arm um ihren Bauch. »Beinahe ein Jammer, dass es dieses Mal nicht so erfolgreich verlief wie gedacht.«
Hannah starrte zu Boden, als würde sie erst jetzt das gesamte Ausmaß ihres Handelns begreifen. Dann sah sie auf. »Bitte versteh doch, es ist für ein höheres Gut, es ist für den Endsieg. Ich wollte nicht, dass Erik stirbt.«
Nikolas’ Wangenknochen zuckten. Als sein Verstand ihm zu entgleiten drohte, presste er die Hände vor das Gesicht, spürte die kratzigen Bartstoppeln.
Er hatte ihr vertraut. Verdammte Scheiße, er war ihr Trauzeuge gewesen.
Sie hat dich verführt, Erik. Uns alle einfach um den Finger gewickelt. Nach so vielen harten und unbarmherzigen Schicksalsschlägen in den letzten Jahren musst du dich am Ende nach einer Frau, nach einer Mutter für Marie gesehnt haben. Irgendwann war die Sehnsucht so groß geworden, dass du diese Traumfrau nur allzu gerne heiraten wolltest. Dabei war sie auf dich angesetzt. Sie haben dein Potenzial erkannt und auch, dass du dem Regime nicht
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