Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
Mannes an seinem Hals und ihren Druck. Sein Rücken wurde in ein Hohlkreuz gedrückt. Rohn zog die P38 aus Nikolas’ Lederhalfter und presste den Lauf an seine Kehle.
»Ich knall ihn ab, ich knall ihn ab!«
Der Mann schien dem Wahnsinn nahe. Nikolas spürte, wie er herumgewirbelt wurde wie die Beute im Maul eines Wolfes. Die Kollegen der Kripo hatten alle ihre Waffen gezogen und schrien wild durcheinander. Doch noch feuerte keiner. Von der Situation überrascht, hatten die Männer in den Türrahmen Deckung gesucht und zielten auf sie.
Rohns Blick schoss in alle Richtungen. Auf der einen Seite die Kripo, auf der anderen Lugers SS-Männer. Krachend trat Rohn eine Tür zu einem der Büros ein. Es dauerte nur Augenblicke, bis sie wieder in etliche Pistolenläufe sahen.
»Niemand bewegt sich, sonst knall ich ihn ab, das verspreche ich euch!«, zischte Rohn ganz nah an Nikolas’ Ohr. Nikolas spürte den heißen Atem in seinem Nacken.
Dann hörte er das typische Klacken von entsicherten Gewehren. Hinter einer Mauer aus Soldaten fuhr sich Luger über den Spitzbart und schüttelte den Kopf.
»Brandenburg, Sie sind zu dumm zum Scheißen.« Seine Miene verfinsterte sich. »Andererseits war es mein Fehler, wieso lasse ich Sie alleine so etwas durchführen.« Er schloss er die Augen. »Ist ja jetzt auch egal.« Er wandte sich mit kalter Stimme an die Soldaten. »Kein Wunder, dass seine Verlobte ihn nicht ertragen kann. Na los, knallt ihn ab, aber lasst Rohn am Leben.«
»Halt dich fest«, flüsterte Rohn leise.
»Was?«
Glas klirrte. Mit seinem gesamten Gewicht sprang Rohn gegen das Fenster im ersten Stock. Nikolas glaubte, er müsse sterben. Splitter bohrten sich schmerzhaft in seine Haut, als die Schüsse von der Tür an ihnen vorbeiflogen. Der freie Fall kam ihm unendlich lang vor, während der eiserne Arm um seinen Brustkorb gelegt war. Erst als sie auf dem Boden aufschlugen, öffnete er die Augen wieder. Alles schien sich zu drehen, das Mauerwerk der Avenue Foch, die einzelnen tanzenden Lichter, die rauschenden Blätter der Bäume. Sein Körper glühte, obwohl er die Kälte der Märznacht auf seiner Haut spürte.
»Los«, hielt ihn Rohn an und packte ihn am Kragen seines Mantels.
Weitere Schüsse fielen, der Boden neben ihren Füßen wurde aufgeschleudert. Es würde nur noch wenige Sekunden dauern, bis hier die Hölle losbrach. Eine Sirene heulte im Hintergrund ihr einsames Lied, während Rohn ihn weiterschleifte. Sie schafften es zu einer Wagenreihe. Aus dem Lauf schlug Rohn mit dem Ellenbogen eine Scheibe des Citroën ein und öffnete beide Türen. »Setz dich!«
Die Ruhe, die aus seiner Stimme sprach, war unheimlich. An wie vielen Kommandomissionen solcher Art hatte er schon teilgenommen? Wie viele Menschen hatte er auf dem Gewissen?
Nikolas durchfuhr ein Schmerz. Er musste sich am Wagendach abstützen. Mit der linken Hand betastete er seine Schulter. Obwohl die Handinnenfläche voll von Blut war, fühlte er diese Kälte, die sich von der Stelle ausbreitete. Er spürte, wie seinem Körper die Kraft ausging. Schlafen, endlich schlafen. Wie ein Schleier legte sich ein Grau über seine Augen und glich mit jedem Herzschlag ein wenig mehr dem Dunkel der Nacht. Als der Motor ansprang, zog Rohn ihn ins Fahrzeug. Ein paar Projektile trafen die Karosserie, dann setzte der Vorderantrieb des Wagens ein.
»Duck dich!« Seinen Worten Nachdruck verleihend, presste Rohn Nikolas in den Autositz. Mit einer Hand auf der Wunde versuchte Nikolas seine Atmung zu kontrollieren, doch mit viel zu kurzen Zügen sog er Luft in seine Lungen.
»Beruhig dich, Kommissar«, scherzte Rohn, während er über die Pariser Straßen schoss. »Machst so etwas nicht grade häufig, oder?«
Einige Zeit kurvte er von einer Seitenstraße in die nächste, sodass Nikolas wie ein Gepäckstück herumgewirbelt wurde. Endlich glich Rohn das Tempo an ein normales Maß an. Anscheinend schien niemand sie zu verfolgen. Zumindest noch nicht.
»Lass mal sehen«, aus seinem gesunden Auge musterte Rohn die Schusswunde. »Stell dich mal nicht so an, ist nur ein Streifschuss. Ein bisschen Jod und ein guter Verband, und du kannst dir morgen schon wieder einen, na, du weißt schon …«
Dann konzentrierte er sich aufs Fahren. Sie hatten den Fluss überquert und waren nun auf dem Rive Gauche, dem linken Seineufer, irgendwo im 6. Arrondissement du Luxembourg.
Wo führst du mich hin, Erik? Auf welchen Weg hast du die Brotkrumen gelegt? Welche dunklen Pfade hast
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