Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
und etwas sagen wollte, traf ihn der nasse Pullover mitten ins Gesicht. Ein Schmerz durchzog besonders sein pochendes Veilchen.
»Ihr Deutschen«, sagte sie abfällig, während das gezackte Messer blitzte. »Wenn euch etwas gefällt, müsst ihr es haben, oder?«
Nikolas quälte sich auf die Beine. »Was willst du von mir, Claire? Wie oft soll ich dir noch sagen, dass mich weder die SS noch die Gestapo schickt? Eriks Brief, alles, was ich aufgegeben habe, die Gefahr, in die ich mich gebracht habe – reicht dir das nicht?« Mit weit ausgebreiteten Armen ging er auf sie zu, packte sie grob an der Schulter. »Was muss ich tun, damit du mir endlich vertraust?«
Ihre braunen Augen funkelten. Sie musterte erst ihre rechte, dann ihre linke Schulter, auf denen seine Hände lagen.
»Ein Schrei von mir und du wirst sofort erschossen«, drohte sie.
Der Druck nahm augenblicklich ab. Nikolas schnaubte und ließ demonstrativ die Hände in seine Hosentaschen verschwinden.
Schnell zog sie sich zwei Oberteile an, ließ ihn dabei nicht aus den Augen. »Ich kann dir nicht vertrauen.« Claire lächelte, griff den Strauß Gänseblümchen und versteckte ihn wieder in dem Buch.
»Ich war also gut genug, einen Arzt zu besorgen, Martin und mich in Gefahr zu bringen und dir Informationen zu beschaffen, aber du vertraust mir trotzdem nicht?«
Sie hielt inne und verzog das Gesicht. Nikolas war nicht imstande, eine Emotion aus ihrer Grimasse herauszulesen. Ein sonderbarer Hauch von Dankbarkeit traf auf Missbilligung. Dazu gesellte sich Angst, gepaart mit Unwissenheit.
»Ich kann dir nicht vertrauen, Nikolas«, diesmal klang ihre Stimme anders, beinahe, als bedauere sie es. »Du bist Deutscher, ein Nazi. Und hätte Rohn nicht gesagt, dass wir dich noch brauchen … Glaub mir, ich hätte die andere Seite des Messers benutzt.«
Abfällig schüttelte er den Kopf. »Ihm vertraust du also? Ihm, den du verraten hast? Der dich umbringen wollte? Oder wird er ebenfalls nur benutzt und dann fallen gelassen?«
Sie band sich ihre Haare zusammen, schlich einer Katze gleich auf ihn zu. »Wir werden diesen Auftrag erledigen. Ich aus meinen Gründen, Rohn wird seine haben und ich bin mir sicher, dass du auch Gründe hast, hier zu sein. Welche immer das sein mögen. Wenn du es tust, um deinen Freund zu rächen, sind es die falschen. Dann habe ich mich in dir getäuscht.« Sie wartete seine Reaktion ab. Als diese jedoch ausblieb, fuhr sie unbeirrt fort: »Danach gehen wir getrennte Wege.« Vor seinem Kopf hob sie das Messer in die Luft, spähte über die Klinge. »Rache ist ein starker Antrieb, nicht wahr, Nikolas?«
Ihr Blick war kalt, eiskalt, sodass er das Gefühl hatte, die Temperatur im Raum wäre auf der Stelle um einige Grad gesunken.
»Es geht nicht mehr allein um Rache«, gestand er ein. »Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob wir danach überhaupt noch getrennte Wege gehen können.«
Sie zog die Nase hoch, nickte leicht. »Oui.«
»Was ist, wenn ich dir sage, dass ich es mittlerweile nicht nur für Erik tue? Wenn ich sagen würde, dass er mich zwar auf den richtigen Weg geführt hat, aber es nun meine Entscheidung ist, diesen Wahnsinn zu beenden?«
Sie prustete lachend. »Ich würde dir gerne glauben. Aber frage dich selbst, wie viel davon stimmt. Man kann in ein paar Tagen nicht zum Widerstandskämpfer werden.«
Nikolas deutete auf ihren Rucksack. »Du bist es in wenigen Minuten geworden.«
Sie wollte etwas entgegnen, schnell etwas kontern, doch die Worte verließen ihre Lippen nicht. Mit halb geöffnetem Mund sah sie über seine Schulter hinweg. Ihre Augen wurden glasig. Er brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, dass sie gerade das Rattern der Maschinengewehre hörte, die Gesichter ihrer Eltern sah und der Geruch von Schwarzpulver erneut in ihre Nase kroch. Als wären die Wunden der Vergangenheit wieder aufgerissen und die langen Schatten des Vergangenen hätten sich auf das Hier und Heute gelegt.
»Claire?«
Sie antwortete nicht. Nikolas wollte sie berühren, sie herausholen aus den dunklen Erinnerungen. Er streckte einen Arm aus. »Claire?«
Dann zuckte sie zusammen. Ihre Augen glänzten. »Wir sollten ins Bett gehen«, sagte sie schnell. »Morgen haben wir viel zu besprechen. Ich muss mit unserem Kontaktmann in Paris reden.«
»Von Stülpnagel?«
Hastig nahm sie ein paar Sachen aus dem Koffer und stopfte die Bücher wieder ganz nach unten. »Auch. Er wird uns bei der Flucht aus Deutschland helfen.« Ihre
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