Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
Stimme erstarb für einen Moment. »Falls diese noch nötig sein wird. Außerdem müssen wir mit den Alliierten Kontakt aufnehmen. Wenn wir Glück haben, sind am morgigen Tage nur wenige Wolken am Himmel. Rohn wird mich begleiten. Du hast also Zeit, um dich auf den Abend vorzubereiten.«
Nikolas rieb sich gedankenverloren die Hände. »Ich muss morgen auch noch etwas erledigen.«
Als ob sie ihn jetzt schon dafür verurteilte, sah sie kurz finster auf, widmete sich dann wieder ihrem Koffer. »Was hast du vor? Die Gestapo informieren? Du bist ein Sicherheitsrisiko, Nikolas. Würden wir nicht jemanden brauchen, der perfektes Deutsch spricht …«
»Ja, ich weiß, dann hättest du mich längst umgebracht.« Belustigt winkte er ab. »Aber nein, ich werde euch nicht ausliefern. Ich muss ein Versprechen einlösen.«
Mit einem entnervten Pfeifen erhob sie sich. Die Missbilligung triefte aus ihrem Blick. »Bei wem? Und was für eins?«
»Bei der Witwe von Erik Stuckmann. Ich habe versprochen, sie erfährt es als Erste, wenn ich weiß, wer der Mörder ihres Mannes ist.«
»Ich muss dir wohl nicht sagen, dass du vorsichtig sein sollst.«
»Keine Angst, Claire. Ich werde genau darauf achten. Niemand wird mich verfolgen. Auch wenn du mir nicht traust, aber ich werde keinen hierher führen und ich bin mir sicher, sie wird nicht überwacht.«
Sie seufzte tief, stemmte die Hände in die Hüften. »Guck einfach nur, dass du lebendig zurückkommst. Wir brauchen dich, sonst kann es nicht funktionieren.«
»Schön, das aus deinem Mund zu hören.«
»Gewöhn dich nicht dran«, schoss es sofort aus ihr heraus. »Es wird enden. Morgen Nacht. Auf diese oder eine andere Weise.«
Claire nahm die Kleidung aus ihrem Rucksack, ging energisch zur Tür, die zum Hauptgebäude führte. Kurz bevor sie die Klinke drückte, wandte sie sich noch einmal zu Nikolas um. »Ich fände es schade, wenn ich dich töten müsste, aber glaube mir, ich würde es tun. Ohne mit der Wimper zu zucken.«
Gegen seinen Willen lachte er auf. »Ich weiß, Claire. Ich weiß.«
Sie nahm jede seiner Bewegungen wahr, musterte ihn aus den dunklen Augen, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen.
»Überleg, warum du hier bist«, forderte Claire steif und mit einiger Verspätung. Dann fiel die Tür ins Schloss.
Nikolas war noch einige Minuten geblieben. Eine letzte Zigarette hatte er sich angesteckt, diese allerdings nur halb aufgeraucht, weil die Kälte nun doch ihren Tribut forderte. Die Franzosen hatten ihn weitestgehend ignoriert, als er die Treppe hochgeschlurft war und sich wieder in das Bett gelegt hatte. Rohn schnarchte immer noch sein monotones Lied, jedoch empfand Nikolas es diesmal nicht als nervig, sondern beinahe melodisch.
Claires Frage jedoch brannte ihn ihm wie Lava in einem Vulkan, der noch nicht ausgebrochen war. Unter der Oberfläche rumorte es, brodelte es hitzig, doch noch stand die Erde still.
Warum war er hier?
Natürlich, um den Tod seines Freundes zu rächen. Anfangs. Aber manchmal ist das Offenkundige nicht gleich die Lösung. Manchmal muss man tiefer graben. So wie bei Rohn oder bei Claire. Nikolas wälzte sich genervt von der einen Seite zur anderen. Wie sehr er sich auch wünschte, dass sein Aufenthalt hier aus diesem einfachen und klaren Grund war, so musste er sich eingestehen, dass dies nicht der Fall war. Claire hatte recht. Es ging nicht mehr allein um ihn oder um Erik. Es war viel größer. Die Verbrechen seiner Nation schrien zum Himmel; man konnte nicht mehr einfach wegsehen. Sie hatten mitgemacht, alle hatten sie geschrien und den rechten Arm erhoben. Betrunken von Erfolgen und Versprechungen. Berauscht von der Allmacht des Wortes und Bildes war die Stimme der Vernunft versiegt. Sie hatten sich Sand in die Augen streuen lassen, sodass niemand mehr klarsehen hatte können. Sie wurden geblendet von schönen Siegen und der Macht der Visionen, die sie aufgezeigt bekamen.
Hitler hatte sie verführt, eine ganze Nation. Und nun, wo keine Siege mehr gefeiert werden konnten und die Bomben auf deutsche Städte niedergingen, machten sich Goebbels und seine Vasallen daran, diese Illusion aufrechtzuerhalten. Um jeden Preis. Sofort schoss ihm das Bild von Marek durch den Kopf und er sah die Wunden, die sie ihm zugefügt hatten. Nikolas wollte diesen Gedanken nicht weiterführen. Tausende, Zehntausende Zwangsarbeiter, denen ein ähnlich unbarmherziges Schicksal blühte, waren der Beweis für die Grausamkeit der Nazis und das Sterben
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