Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
hörbar, als er die Hände auf dem Tisch zusammenfaltete. »Deshalb musste er sterben.«
Bei den letzten Worten zuckte sie erschrocken zusammen und legte geschockt eine Hand auf den Mund.
»Ich verstehe nicht«, wimmerte sie. Waren ihre Wangen eben noch vom Alkohol gerötet, glühten sie nun. »Wer hat ihn ermordet?«
»Ich denke, es war die SS. Als Erik sich weigerte, weiter an den Forschungen zu arbeiten.« Nikolas war selbst überrascht, wie fest seine Stimme blieb. Aber er wusste, er würde dies nicht ewig durchhalten. Er hielt sich selbst an, schneller zu reden, bevor er einbrach. »Sie haben ihn von der Straße abgedrängt, wollten es wie einen Selbstmord aussehen lassen. Vielleicht wussten sie nichts von Marie. Aber das spielt keine Rolle mehr. Ich denke, es war Varusbach, der den Befehl dazu gab.«
Hannah wirkte gefasster, als Nikolas befürchtet hatte. Der Kerzenschein gab ihren großen, dunklen Augen eine rehbraune Nuance. Undurchdringlich und fesselnd stierte sie ihn an. »Weißt du, was du da sagst, Nikolas? Das sind Lügen, Verleumdungen, Hochverrat.«
»Du weißt nicht, was Varusbach für ein Mensch ist. Er scheint den Verstand verloren zu haben«, erklärte er und versuchte Milde in seine Stimme zu legen. »Du weißt nicht, welche Pläne er verfolgt.«
Hannah schnaubte vor Wut und trank einen letzten großen Schluck, der das Glas leerte. Sie giftete ihm die Worte entgegen. »Ich kenne Varusbach, er würde nie so etwas Schreckliches tun! Und was hat das mit dem Luftangriff zu tun?«
Beide Arme auf den Tisch stützend, rieb sich Nikolas das Gesicht. Er atmete durch seine Hände. Es gab keinen Grund, weiter an der Wahrheit festzuhalten. Wenn er eine ähnliche Geschichte vor wenigen Tagen von einem Verdächtigen gehört hätte – unter keinen Umständen hätte er ihm Glauben geschenkt. Wieso sollte er das also von ihr verlangen?
»Nichts hat es damit zu tun. Ich habe einfach nur ein schlechtes Gefühl wegen heute Nacht. Schau bitte, dass du dich in Sicherheit bringst.«
Durch einen Fingerspalt beobachtete er Hannah. Sie sah ihn an, als hätte sie einen Geist gesehen. Etwas Unwirkliches, nichts Greifbares. Fassungslos suchte sie Martins Blick. Er schwieg, nippte an seinem Wein, bestätigte den Blick wortlos. Schweigen erfüllte den Raum.
»Du wirst es also wirklich durchziehen?«, wollte Martin schließlich wissen. »Diesen Weg weitergehen?«
»Ja und es wäre besser, wenn ihr leugnen würdet, dass ich heute Nacht hier war. Wenn sich der Staub gelegt hat, wird es eine Menge Fragen geben.« Nikolas sah den Arzt an. »Du hast gesehen, was dieser Mann anrichten kann. Glaub mir, es war keine einfache Entscheidung.«
Hannahs Nasenflügel bebten. »Du willst das Tausendjährige Reich verraten?«, rief sie bestürzt. »Willst Varusbach einfach so verhaften?«
Beschwichtigend hob er die Hände. »Hannah, versteh doch, ich bin es Erik einfach schuldig. Ich muss diesen Mann verhaften. Ich habe dir versprochen, dass ich dir alles sage, also: Hier ist die Wahrheit!«
Die abgemilderte, falsche, gefilterte Wahrheit, dachte Nikolas.
»Blödsinn!«, wiegelte sie energisch ab. »Und was ist, wenn dieser Kampfstoff wirklich das Ende des Krieges bedeuten würde? Was ist, wenn es wirklich der letzte Funken ist, der das Feuer des Endsieges entzündet und für immer brennen lässt?« Sie fingerte nach der Flasche und goss sich erneut ein. »Wann wirst du ihn verhaften, Nikolas?«
»Heute Nacht«, antwortete er trocken.
Mit einem empörten Zischen wandte sie sich ab. Dann wurde ihre Stimme sanft, nachdenklich, als höre sie tief in sich hinein, während sie sprach. »Glaubst du wirklich, dass er für Eriks und Maries Tod verantwortlich ist?«
»Ja.«
Verstehend nickte sie, wiegte den Weinschwenker in ihrer Hand. Als der Zorn langsam verflog, brach die Trauer mehr und mehr durch. Sie wimmerte leise in das Glas hinein. Ihre Tränen vermischten sich mit der tiefdunklen Flüssigkeit, als sie über ihre Wange liefen und sich schließlich vom Kinn lösten.
Nikolas stand auf, kniete sich vor sie nieder und nahm ihre Hand. Ihre Haut fühlte sich so zart an, als würde er über Seide streicheln. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts anderes sagen kann.«
Unter Tränen versuchte sie ihm zu antworten, doch ihre Stimme ging in Schluchzen unter. Erst beim zweiten Versuch war es ihr möglich, zu sprechen. Das Weiß ihrer Augen war nun von roten Äderchen durchzogen. Ihre Stimme war zittrig, kaum noch Kraft lag in
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