Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
ihr.
»Ich danke dir, Nikolas. Ich danke dir für alles. Und jetzt geh, bitte.«
Einige Wimpernschläge hielt er noch ihre Hand, dann löste sich langsam sein zarter Griff. Mit einem Nicken deutete Martin an, dass es in Ordnung sei, wenn Nikolas sie jetzt verließe. Als jener den Mantel anlegte, beugte er sich zu seinem Freund hinunter.
»Luftschutzbunker«, flüsterte er Martin ins Ohr.
»Ich werde mich darum kümmern.«
In der Drehung hielt Martin ihn fest. »Komm heil zurück.«
Nikolas’ Gesicht blieb starr, einer Maske aus Eis gleich, ohne Regung in seinem Antlitz. Die Uhr an der Wand zeigte Viertel vor Zehn. Es war Zeit. Ruhig setzte er den Hut auf und verließ das Haus. Zumindest dieses Versprechen hatte er einlösen können.
Kapitel 17
– Im Bauch der Bestie –
Nikolas hatte Mühe, den Militärtransporter am Waldrand auszumachen. Sie waren nur wenige Minuten vom Haupttor des Werkes entfernt, trotzdem lag der kleine Feldweg, der sich durch das Dickicht schlängelte, ruhig vor ihnen. Unter gespannten Planen konnte er die ersten Wachtürme und Stacheldrahtzäune erkennen, die das Werksgelände ankündigten. Er parkte Martins Opel so weit wie möglich im Unterholz, stieg aus und stolperte auf die Rückseite des Transporters zu. Er schien verlassen.
Erst kurz bevor er das Fahrzeug erreichte, hob sich die Abdeckung. Gedämpft strahlte das Licht der abgeblendeten Taschenlampen im Transporter.
»Du bist pünktlich«, stellte Claire mit einem Hauch von Verwunderung fest. Sie war dick eingepackt in olivgrüne Militärkleidung, dazu trug sie einen geöffneten grauen Wintermantel, der wohl einem recht kleinen Wehrmachtssoldaten gehört haben musste. Nur der streng zusammengebundene Pferdeschwanz und das zerbrechliche Gesicht wirkten fehl am Platz.
»Natürlich, was sonst«, flüsterte Nikolas und griff Rohns Hand, der ihm in den Wagen half.
»Deine Kleidung, deine Waffen, dein Ausweis.«
Er schien in seinem Element. Der Feldwebel, der Kommandosoldat – kühl, berechnend, skrupellos – war wieder durchgebrochen. Seine Sprache war abgehackt und direkt, jedoch gleichzeitig leise und verständlich. Neben den beiden waren noch zwei Franzosen anwesend, die an einem vollgepackten Rucksack herumfummelten. Im schummrigen Licht konnte er die roten Haare von Pascal ausmachen, der leise mit dem anderen flüsterte.
Nikolas kaute auf der Lippe, während er die Ausrüstung begutachtete. »Meint ihr wirklich, dass es klappt?«, grübelte er, ohne Claire und Rohn anzusehen.
»Jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück. Es wurde wochenlang vorbereitet, die Flugzeuge sind bereits in der Luft. Also, zieh das an!«, befahl Rohn mit fester Stimme und drückte ihm die Uniform des Werkschutzes der IG Farben an die Brust. Eilig zog Nikolas seine Kleidung aus, legte sie jedoch säuberlich zusammen. Er hätte schworen können, dass Claire in diesem Moment nicht wirklich mit dem Funkgerät beschäftigt war, das sie seit einiger Zeit überprüfte. Die dunkle Uniform war an die Aufmachung der SS angelehnt. Ein dicker schwarzer Wintermantel über der Koppel, der an dem Pistolengurt befestigt wurde, komplettierte die Montur. Die bis fast unter die Knie reichenden Reiterstiefel zwickten und auch die Armbinde über dem Ärmel, mit der Aufschrift ›Werkschutz‹, ließ bei Nikolas kein Sicherheitsgefühl aufkommen. Rohn war bereits umgezogen. Seine Uniform saß an einigen Stellen deutlich enger als vorgesehen. Mit Schwung hievte er sich den Rucksack auf die Schulter, schaute auf die Uhr, welche im letztmöglichen Loch um sein Handgelenk spannte, und klopfte Nikolas auf den Rücken. Zuversicht sprach aus seinen Augen. Beinahe schon väterlich setzte Rohn Nikolas die Schirmmütze auf. »Komm, wir haben wenig Zeit.«
Mehrmals sahen die beiden sich um, bevor sie den Innenraum des Truppentransporters verließen. Seine Kleidung, Vaters Hut, all das würde er hier zurücklassen. Wahrscheinlich für immer. Andererseits, dort, wo er nun hinging, würde er sie nicht mehr brauchen. Egal, welchen Ausgang diese Nacht für ihn bereithielt.
»Nikolas«, flüsterte Claire in die Dunkelheit, als sie geschickt von der Ladefläche sprang. Rohn lächelte kurz, ging einige Schritte vor, sodass sie allein waren.
»Du hast etwas vergessen.« In der Hand hielt sie die Walther PKK seines Vaters. Sie passte genau in die Lederhalterung zu seiner rechten. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass die Tasche leer war, doch jetzt, mit der Waffe, fühlte sich
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